Elsternest

Der Mediator – der neue Roman von Mortiz Hildt

Der Mediator
Foto: Buchcover, Boxhandschuhe von ©charlesdeluvio / auf Unsplash

Der Mediator, so der Titel des neuen Romans von Moritz Hildt, führt nicht in die Welt der professionellen Streitschlichter, sondern viel mehr in die Innenwelt des Protagonisten. Sebastian Perler, 37 Jahre, löst als Mediator die Probleme der anderen.

Im Reinen mit sich, führt er nach seiner Scheidung ein ungezwungenes und unabhängiges Leben.Lockere Bekanntschaften und Liebesverhältnisse sieht er als Farbflecken in seinem selbstbestimmten Leben als Streitschlichter. Welche inneren Kämpfe er auszufechten hat, wird im Romanverlauf allmählich deutlich.

Sebastian Perler, Mediator

Mein Name ist Sebastian Perler. Ich bin Mediator. Und während um mich herum ein neuer Tag voll offenstehender Möglichkeiten anbricht, befinde ich mich mit zügigen Schritten auf dem Weg in meine eigene Vergangenheit.
S.10

Zwei Frauen, zwei Beziehungen schieben sich in den Alltag des Protagonisten: da ist zum einen seine geschiedene Frau, die ihn spontan in Erfurt besucht, und Sandra, eine Zugbegleiterin, mit der er ein lockeres Verhältnis pflegt. Eines, das vom Dienstplan Sandras bestimmt wird: Sie treffen sich in Städten, in denen die langen Zugfahrten der Schaffnerin enden, und verbringen miteinander die freien Tage von ihr in einem Hotel und erkunden die Umgebung. Beide genießen sie diese unbekümmerten Zeiten. Jedes Mal ein Abenteuer in einer fremden Stadt. Sandra arbeitet darauf hin, als Zugbegleiterin im internationalen Bahnverkehr eingesetzt zu werden und beide sind von dem Gedanken elektrisiert, die „Jungfernfahrt“ von Sandra in Paris ausklingen zu lassen.

Ein Stachel im Fleisch

Nicht so unbeschwert ist die spontane Begegnung mit seiner Ex-Frau Kati. Gemeinsam hatten sie Pläne, in die USA zu übersiedeln und eine Zeit lang in Kalifornien zu leben. Doch kurz vor der Abreise eröffnete Kati ihm, dass sie von ihm schwanger ist und dass sie diese Schwangerschaft abgebrochen hat. Die Folge war seine Scheidung und die Aufgabe seiner Pläne, mit dieser Frau seine Zukunft in USA zu gestalten. Zwei Jahre ist das her und hat tiefe Wunden bei Sebastian Perler hinterlassen, an die er am liebsten nicht erinnert werden will. Doch nun ist er auf dem Weg zu einem Treffen mit dieser Frau. Diffuse Gefühle tauchen bei Sebastian auf dem Weg zu ihr auf. Er weiß nicht so recht, wie er diese Begegnung meistern soll mit der Frau, mit der er immerhin fünf Jahre zusammen war.

Am Himmel haben sich dünne Wolkenschlieren von Nordosten her über das fahle Morgenblau- gezogen und hüllen den Bahnhofsvorplatz in ein diffuses, milchiges Licht.
S. 18

Sie schaffen es, das Gespräch freundschaftlich zu führen, obwohl er merkt, dass diese Frau mehr in ihm auslöst, als ihm lieb ist. Den hellen Streifen an ihrem linken Ringfinger nimmt er unangenehm berührt wahr. Zu seinem Geburtstag schenkt sie ihm einen Gedichtband aus der Buchhandlung, die er während ihrer gemeinsamen Zeit in Saarbrücken so geliebt hatte.

„Du siehst glücklich aus“, sagt Kati, als wir nicht viel später aus dem Starbuck’s hinaustreten. Die Sonne hat sich, zumindest für den Moment, gegen die Schlieren durchgesetzt und ich spüre mild und heilend auf meinem Gesicht. „Das ist gut.“
S. 34

Nicht alles ist gut

Es sieht nur so aus, als sei er glücklich. Gut ist seine Situation nicht, doch dafür bekommt der Protagonist erst im Laufe des Romans eine Ahnung. Er hat sich arrangiert, macht seinen Job, den er mag, gut. Probleme anderer lösen. Die unverbindliche Beziehung zu Sandra in fremden Hotelbetten oder die kurze Affäre mit der Frau eines kürzlich verstorbenen Kollegen. Doch unter der Oberfläche lauern Dämonen, die sich langsam Gehör verschaffen: Auf der Fahrt nach Hamburg zu einem Treffen mit Sandra rastet er am Telefon aus, als er von einem Klienten angerufen wird. Sein so glattes, professionelles Auftreten bekommt einen Riss.

Es gibt in der Welt sichtbare Dinge und solche, die wir nicht sehen können. Wir verbringen viel Zeit damit, uns selber glauben zu machen, dass das, was die Wirklichkeit ausmacht, das Reale, viel mehr mit dem Sichtbaren als mit dem Unsichtbaren zu tun hat. Aber natürlich ist das vollkommener Unsinn: Worum es geht, sind immer die Dinge, die im Verborgenen bleiben. Um das zu verstehen, musste ich keine Mediatorenausbildung durchlaufen. Aber meine Tätigkeit trägt zweifellos dazu bei, dass ich diesen Umstand nicht vergesse.
S. 88

Aber auch sein privates Leben gerät ins Rutschen, als er mit seiner Zugbegleiterin deren Familie über den Feiertag, 3. Oktober, besucht. Von seinem Chef wegen seines Ausrasters zwangsbeurlaubt, wird er mit einer intakten Familiensituation konfrontiert und mit der Frage, ob er dem Leben nicht ausgewichen ist, anstatt ihm zu vertrauen.

Ungewöhnliche Bilder und lyrische Sprache

Das alles erzählt Moritz Hildt in einer lyrisch lakonischen Sprache und findet Bilder, die auf wunderschöne Weise die seelischen Untiefen seines Protagonisten an die Oberfläche steigen lassen. Verbunden mit seinen typischen, philosophischen Betrachtungen, nicht nur das Leben betreffend. Damit schließt Moritz Hildt nahtlos an seinen grandiosen Vorgängerroman an, der uns in die Wildnis der amerikanischen Einsamkeit führte (Alles) und seinen Helden am Ende anders zurück lässt, als es sein Lebensentwurf vorsah. Bei Der Mentor ist gerade anders herum: hier steht der Protagonist am Schluss des Romans am Anfang der Eigenerkenntnis. So unspektakulär das Ende ist, so spektakulär wird der Weg sein, auf den sich Sebastian Perler begeben muss.

Der Mediator
Roman
232 Seiten, Broschür
Verlag duotincta, Preis: 20,00 €

zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens

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