Diesen Titel gab Katja Erdmann-Rajski ihrer neuen Tanzperformance, die man ab 6. September 2024 im Treffpunkt Rotebühlplatz erleben kann. Die Produktionen von Katja Erdmann-Rajski sind herausragende Produktionen auf dem Gebiet des Modern Dance. Auf diesem Blog wurde bereits darüber berichtet.
Es ist immer diese besondere Mischung aus Laientänzern und Profitänzern, die das Besondere an den Tanzstücken ausmacht. Gemeinsam erarbeiten sie das Stück in Workshops. Ich bin nur anders wurde durch den 2003 erschienen Roman Supergute Tage oder die Sonderbare Welt des Christopher Boone des britischen Autors Mark Haddon inspiriert. Dessen Protagonist ist nämlich verblüffend anders: Er mag keine gelben und braunen Sachen und färbt deshalb sein Essen mit Lebensmittelfarbe. Auch den Kopfsalat. Witze mag er nicht, Unordnung schon gar nicht. Primzahlen um so mehr.
Tanztheater auf der Grundlage eines Romans
Der 15-jährige Christopher ist ein Fan von Sherlock Holmes und selber ein begeisterter Detektiv. Christopher hat gleich zwei Fälle zu lösen: zuerst den Mord an dem Hund seines Nachbarn. Der kleine tote Hund liegt während der gesamten Aufführung mit dem Mordwerkzeug im Nacken, einer Mistgabel, am Spielfeldrand. Das zweite Geheimnis, das er lüften muss, ist noch viel persönlicher. Seine totgeglaubte Mutter ist gar nicht tot, wie sein Vater ihm immer erzählt hat, vielmehr hat sie Christophers Vater verlassen. Für Mord und Lüge ist sein Vater verantwortlich.
Diese Geschichte, die von Katja Erdmann-Rajski in Teilen aus dem Off gesprochen wird, wird von den zwei Solistinnen Lilly Bendl und Kristina Oleárniková sowie den Solisten Guillermo de la Chica und Marek Ranic tänzerisch genial umgesetzt. Ihr starker, tänzerischer Ausdruck wird unterstützt von einer Laientanzgruppe, bestehend aus: Karin Azza, Evelyn Eisinger, Carolin Hössel, Theresa Kaiser, Ingrid Pittl, Stefan Scheffczyk und Wanru Zaho.
Der Choreographin geht es in dem Stück nicht um kollektive Identitäten, wie es aktuell heftig diskutiert wird. Hier geht es nicht um Ausgrenzung der Andersartigkeit, wie wir es in der Gesellschaft zunehmend erleben. Ihr geht es um die Feier der Vielfalt, der Nicht-Identität und der unendlichen Rekombination. Die Zuschauer sollen ermuntert werden, ihr Anderssein als Ausdruck ihrer Individualität nicht nur auf der Bühne zu erleben sondern sich trauen, sie zu leben. Gerade weil der Protagonist Christopher gesellschaftliche Klischees nicht reproduziert, kann er mit seinem ganz anderen, vorurteilsfreien Blick die Eigenheiten anderer annehmen und schätzen. Diese Erkenntnis in einem Tanztheater herauszuarbeiten, ist das große Verdienst der Akteurinnen und Akteure bei diesem Stück.
Weitere Aufführungen:
09. November 2024
10. Januar 2025
11. Januar 2025
12. Januar 2025
Wenn es so ist, dass „…die Zuschauer ermuntert werden sollen, ihr Anderssein als Ausdruck ihrer Individualität nicht nur auf der Bühne zu erleben, sondern sich trauen, sie zu leben….“ dann stellt sich doch auch die Frage, warum die Menschen auf der Bühne von Weitem gleich aussehen, weil sie alle gleich angezogen – uni-formiert – sind?
Richtig, die Kostüme sind uniform!
Das ist eine künstlerische Entscheidung der Choreografin.
Das einheitliche Kostüm kann den Blick für die Unterschiede in der Bewegung schärfen.
Das gleiche Kostüm steht für die These, dass in allen (von uns) etwas von dem Protagonisten Christopher steckt. Herzlich. KER
Ich war Teil der Kompanie. Besonders spannend und lehrreich fand ich die Entwicklung des Stückes, wie jeder Tänzer( und da meine ich selbstverständlich auch die Tänzerinnen, ohne dass ich stottern muss) zu seinem Part kommt. Die Auswahl der wundervollen Musik von Bach und Britten hat mich beflügelt.
Auf anders Denkende und Handelnde sehe ich jetzt noch wertschätzender. Sie bereichern unser Miteinander und… machen uns menschlicher.