Werden Stipendiatinnen vorgestellte, deren Stipendienaufenthalt sich dem Ende zuneigt, besteht die Chance, Texte zu hören, die während des Aufenthaltes entstanden sind. Miriam Bornewasser stellte sich am 16. Juni 2025 im Schriftstellerhaus dem Publikum vor und las eben solche Gedichte vor.
Wer kennt schon Friesoythe
Miriam Bornewasser kam 1999 in Friesoythe auf die Welt. Bevor der Schwabe jetzt Google anwirft, um zu erkunden, wo dieses Örtchen liegt, sei ihm gesagt, es liegt 75 km westlich von Bremen. Fährt man von Bremen in den ostfriesischen Heimatort von Miriam Bornewasser, so kommt man durch Delmenhorst. Element of Crime Frontmann Sven Regner hat Delmenhorst eine Hymne geschrieben. Eine Hymne auf Friesoythe von Seiten von Miriam Bornewasser steht noch aus. Da sie Lyrikerin ist, kann es durchaus noch dazu kommen, dass auch Friesoythe ein lyrisches Denkmal gesetzt wird.
Miriam Bornewasser wollte immer Künstlerin werden
Miriam Bornewasser studierte nach ihrem Abitur Freie Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf. Dort hat sie sich vor allem mit Räumen und Installationen beschäftigt und dies in ihre Abschlussarbeit eingebracht. Ihr erster eigenständiger Gedichtband „Wände ohne Welten“ erschien 2020 im Geest-Verlag. 2022 erhielt sie den 4. Vechtaer Jugendliteraturpreis und schrieb als Artist in Residence in Vechta ihr nächstes Buch Dürreregen – Spuren eines Suchens. Gerade ist eine Anthologie in Arbeit, an der sie beteiligt ist. In Stuttgart hat sie das Schreiben mit ausgedehnten Spaziergängen verbunden, wie sie im Schriftstellerhaus Rainer Koch verrät, der diesen Abend wieder charmant und großem Einfühlungsvermögen moderiert. Ihr Notizbuch als ständiger Begleiter nahm gleich die im Gehen entstandenen Verse auf. Kurz und knapp, oft nur ein Wort auf einer Zeile:
in Radien
verstrahlt
erstarrend
vor schwangeren
Worten
die nicht gehört
gesprochen
vergib mir nicht
vergiss
das wahllose
weilen
vergiss
den Schlamm
dem du entschlafen
den Schaum
dem du geboren
verfolge nur
die Narben
der Haut
die dir berichten
wo die Trauer
weidet
wünschelos
Stuttgart ist eine Autostadt
Ihr Gehen wird unterbrochen durch die Ampelanlagen, die sie überwinden muss, um in den Schlosspark zu kommen. Erstaunt „gibt sie zu Protokoll“, dass die Ampeln, im Gegensatz zu denen in Düsseldorf, fußgängerunfreundlich geschaltet sind. (In Düsseldorf werden auch keine Autos gefertigt, die Stuttgart ihren Bewegungsdrang unterworfen haben.)
Sie hat die Gedichte an ihrem Schreibtisch im Schriftstellerhaus beim Tippen in ihren Personal Computer nur minimal verändert. Vielfaches Überarbeiten – wie es bei vielen Lyrikern üblich ist, die oft ein halbes Dutzend Fassungen machen – sei nicht so ihr Ding, verrät sie. Oft wird ihr Tippen übertönt, durch das Schnitzelklopfen in der Kiste, durch Musikfetzen aus dem Radio der Angestellten, die sich im Hinterhof auf eine Zigarette treffen, um ihren Arbeitsalltag zu entschleunigen. Wenn sie sich morgens im Leichtschlaf umdreht, dringen Geräusche von Backblechen an ihr Ohr. Ab vier Uhr morgens werden Brezeln geformt und in den Backofen geschoben, damit sie zu Frühstück frische, noch warme Backwaren auf den Tisch bekommt.
Und da ihr Aufenthalt von viel Bewegung, von beständigem Hin und Her geprägt ist, schlägt Rainer Koch vor, den zweiten Teil der Lesung zwischen den Urban-Gardening-Hochbeeten auf dem obersten Stockwerk des Züblin-Parkhaus fortzusetzen. Vom Häusle zum Parkhaus sind es nur einige Schritte und so trägt Miriam Bornewasser stehend ihre verbleibenden Gedichte vor. Vor in den Himmel aufragender Baukräne, umrahmt von wild wuchernden Gemüsebeeten. Momente von großer Zärtlichkeit fängt sie ein mit ihren Gedichten:
überall
Eidechsen
zwischen Sonnen
auf und unter
ging
auf altbekannten
Pfaden
folgte
flehentlich
verlieb mich
bleich
leicht geküsster
Morgenstern
verschwinde nicht
in Abend
rot
auf deinen Zügen
Lippen
Fahnen
nimm mich
frag mich
hier und da
ein Körperteil
verzeih mir
es wächst
nach
Man kann gespannt sein, was aus dem urbanen Dschungel als lyrisches Produkt herauskommt. Miriam Bornewasser hat geplant, demnächst einen weiteren Gedichtband heraus zu bringen. Einen Titel hat sie noch nicht. Für sie ist der Titel oft Antwort auf das Gedicht. Das Schriftstellerhaus wird über seine Internetkanäle sicher über das Erscheinen des neuen Bandes berichten.