Was passiert, wenn einem erklärten Kapitalismuskritiker plötzlich mehrere Millionen Dollar vor die Füße fallen? Pierre-Paul (Alexandre Landry) hat einen Job als Postfahrer und gerät in eben diese Situation. Er hat seinen Doktor in Philosophie gemacht. Während er mit seiner Freundin Schluss macht, zitiert er im Café schon mal Wittgenstein. Er ist ein tapsiger Weltverbesserer, der sich irgendwie durchschlägt, ohne seine Moral zu kompromittieren. Als es auf seiner Kurierroute zu einem Raubüberfall mit Schießerei kommt, schnappt er sich kurzerhand zwei Geldsäcke. „Kein Bargeld an Bord“ steht auf dem Klein-LKW. Das ist, als er sich von der Szene des komplizierten Bandenverbrechens als lachender Dritter entfernt, glatt gelogen.
Kann schmutziges Geld „Gutes tun“?
Was tun mit dem schmutzigen Geld? Den Obdachlosen helfen, die er in seiner Freizeit betreut? Andere glücklich machen? Gelingt es Pierre-Paul, der die Armen seiner Gemeinde sieht und kennt, etwas Sinnvolles mit diesem zu Unrecht erhaltenen Geld anzufangen, oder unterliegt auch er seinen Verlockungen?
Bald sind ihm die Mafia, das Finanzamt und ein gewieftes Polizistenduo auf den Fersen. Dieses Duo besteht aus einer Frau (Maxim Roy), die auf Frauen steht, aber mit dem an gelegentlichen Sexismen und Rassismen nicht abgeneigten Kollegen (Louis Morissette) ins Bett geht, wenn sonst nichts zur Hand ist. Später, als der ermüdend aufwendig geschürzte Knoten wieder gelöst wird, kommt die Polizei zu spät. Eine Demo an der Uni hat alle Kräfte gebunden. Ein Loblied auf die Gesetzeshüter ist der Film sicher nicht.
Pierre-Paul braucht die Hilfe eines Profis. Er findet sie bei dem ehemaligen Biker-Boss Sylvain „The Brain“ (Rémy Girard), ein Ex-Knacki und Finanzexperte, der im Gefängnis seinen Ökonomieabschluss gemacht hat und nur noch legal sein Geld verdienen will.
Eine Edelprostituierte hat die notwendigen Kontakte zur Finanzwelt
Aspasie (Maripier Morin), die bildhübsche Edelprostituierte, wird von Pierre-Paul mit dem Geld aus seiner Beute bezahlt. Er verfällt ihr aus quasi-platonischen Gründen, wenn auch nicht mit platonischen Absichten. Schließlich verweist ihr Name auf die antike Rhetorikerin und Philosophin gleichen Namens, in deren Salon womöglich Sokrates, Sophokles und Kollegen verkehrten. Erst ist sie nur an dem Geld interessiert. Dann findet sie Gefallen an dem jungen Mann. Sie ist es auch, die durch Klugheit und Kontakte, darunter zu einem Offshore-Banker, der ihr noch einen Gefallen schuldet, den Schlüssel zum gemeinsamen Plan liefert.
Es geht darum, ein System auszutricksen, in dem alles auf Erfolg und Geld zielt und zwar, indem man sich seiner Gesetze ebenso bedient wie seiner Gesetzeslücken. So wird das System überlistet. Die, die sonst auf der Verliererseite stehen, sollen diesmal als Gewinner davonkommen. Aspasia, Pierre-Paul und Bigras gehen diese schöne Aufgabe an. Zu wessen Gunsten am Ende, sei an dieser Stelle nicht verraten.
Der Regisseur Denys Arcand hat einen Film gedreht, der die Genregrenzen sprengt
»Der unverhoffte Charme des Geldes« mag die erste halbe Stunde über etwas trantütig wirken. Aber er ist es ganz und gar nicht. Er braucht nur länger als die klassisch auf Tempo und Timing getrimmte US-Komödie. Der frankokanadische Regisseur Denys Arcand lässt sich Zeit. Viele seiner Themen schleichen sich geradezu unbemerkt in den Plot hinein. Das verlangt Geduld, macht aber Spaß denn er nimmt den durchdrehenden Turbokapitalismus humorvoll aufs Korn. Der Film ist Komödie, Gangsterthriller und Märchen zugleich, der zudem zeigt, wie Geldwäsche funktioniert.
Dieser Film ist extrem hinterlistig, daran lässt Denys Arcand nie einen Zweifel. Die Kriminalkomödie bietet gewissermaßen den Rahmen für Arcands filmischen Essay über das Geld, den Staat und dessen antisoziale Strukturen. Dass man hier einen Finanzskandal überleben kann, einen Sexskandal jedoch nicht (der des Offshore-Bankers), spricht Bände.