Der Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer war am 7. Oktober 24 mit seinem Roman Die Projektoren zu Gast im Stuttgarter Literaturhaus. Jörg Magenau kam mit ihm darüber ins Gespräch. Jörg Magenau, ehemaliger Literaturkritiker der Wochenzeitung Freitag, ab 1997 bei der TAZ heute für verschiedene Zeitungen und Radiosender tätig, war 2019 Juror des Deutschen Buchpreises. Der Roman Die Projektoren steht dieses Jahr auf der Shortlist eben dieses Buchpreises.
Es ist ein Roman über Krieg, Gewalt und Verrohung, von alten und neuen Nazis, von Utopien, Hoffnungen und Fantasien. Der Montageroman, mit 1046 Seiten, auf dünnem Papier gedruckt, ist ein echtes Schwergewicht. Jedenfalls so schwer, dass Clemens Meyer ihn nicht mit nach Stuttgart gebracht hat, sondern sich ein Exemplar für die Lesung vom Bücherstapel geliehen hat.
Dieser Roman spannt große Bögen spannt auf
Weit holt der Roman aus und spannt große Böge auf: Von Leipzig bis Belgrad, von der DDR bis zur Volksrepublik Jugoslawien, vom Leinwandspektakel bis zum Abenteuerroman. Schonungslos und rasant erzählt Die Projektoren von unserer, an der Vergangenheit zerschellenden Gegenwart, anhand unvergleichlicher Figuren.
Im Roman wird der heimliche Protagonist nur Cowboy genannt. Er, der die deutsche Besatzung seiner Heimat erlebte, schließt sich den Partisanen Titos an. Später erlebt er im Velebit-Gebirge in Kroatien die Dreharbeiten der Winnetou-Filme und verdingt sich am Set als Übersetzer und Komparse. Jahrzehnte später finden an genau diesem Orten die brutalen Kämpfe der Jugoslawienkriege statt. Mittendrin eine Gruppe junger Rechtsradikaler aus Dortmund, die die Sinnlosigkeit ihrer Ideologie erleben muss.
Die Struktur des Romans stand für Clemens Meyer lange fest
Clemens Meyer hat dieses Montagewerk in 14 Kapitel unterteilt, plus einem dreigeteilten Vorwort, aus dem er an diesem Abend ein Stück liest. Dann springt er zu einem Kapitel, in der ein Militärlastwagen einen Mann mit einer Holzkiste mitten im Velebit-Gebirge vor einem verfallenen Bauernhaus zurücklässt. Der Mann, den später alle Bewohner nur den Cowboy nennen, setzt sich auf seine Kiste, legt die Hand gegen die Sonne über die Augen und schaut dem LKW und den immer kleiner werdenden Staubwolken hinterher. Damit evoziert Clemens Meyer eine Stimmung, die an den berühmten Western von Sergio Leone erinnert. Nur spielt hier keiner Mundharmonika sondern der Cowboy zieht einen hölzernen Quirl aus der Tasche. Was es mit diesem Quirl auf sich hat, erläutert Clemens Mayer und schnell wird den Zuhörern klar, das es sich dabei um einen fast mystischen Gegenstand handeln muss.
Für einen weiteren Leseabschnitt wählt Clemens Meyer ein Kapitel, in dem alle Sätze durchnummeriert sind. Mal sind sie kürzer, mal länger. Insgesamt 293 Sätze, die Zahl soll an die Opfer unter den Sioux in dem Massaker am Wounded Knee erinnern. Mayer hat schon mehrfach versucht, das ganze Kapitel bei einer Lesung vorzutragen, immer ist er daran gescheitert, auch an diesem Abend liest er es nicht bis zum letzten Satz.
Skurrile Erzählungen gepaar mit schwarzem Humor
Dieser Ausnahmeschriftsteller hat einen unglaublichen Sinn für das Skurrile und besitzt einen tiefschwarzen Humor. Vor allem aber hat er einen zutiefst emphatischen Blick auf seine Protagonisten, was den Zuhörer unmittelbar für ihn einnimmt.
Acht Jahre hat Meyer an diesem Monumentalwerk gearbeitet. Die Idee zu der Geschichte hatte er bereits 2008 und er gibt zu, dass er nicht noch einmal ein Werk diesen Ausmaßes schreiben will. Nachdem er mit dem Roman fertig war, hat er erst einmal eine große Hafenrundfahrt gemacht. Das ist sein Ausdruck für einen medizinischen Generalcheck. Die Ärztin hat ihm gesagt, er müsse was gegen seinen hohen Blutdruck einnehmen und solle weniger Alkohol trinken. Er arbeite daran, nur noch am Wochenende zu trinken, nicht mehr als eine halbe Flasche Wein.
Die Projektoren stehen auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises
Die Projektoren haben es bereits auf die Shortlist des Deutschen Buchpreis geschafft und er gilt als
Favorit. Ob er letztendlich die Juroren überzeugen kann, werden wir am 14. Oktober bei der Verleihung im Frankfurter Römer erfahren. Die Zuhörer hat Clemens Meyer schon am Montagabend mit seiner kurzweiligen Lesung überzeugt.
Die Projektoren
1056 Seiten, Gewicht 1,051 kg, gebunden mit farbigem Schutzumschlag
Verlag S. Fischer, Preis: 36 €
zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens
Sicher ein außergewöhnliches und sehr beeindruckendes Buch!