Die Gedichte von Jane Wels sind wie ein gutes, selbst gebackenes Brot. Es bedarf nur weniger Zutaten, um ein köstliches Resultat zu erzielen: gutes Mehl, Wasser, Sauerteig, einige Gramm Salz und die Hitze des Ofens. Mit viel Geduld wird daraus ein leckeres Brot. So stelle ich mir auch die Arbeitsweise der Lyrikerin Jane Wels vor.
Ihr Gedichtband Schwankende Lupinen ist gerade in der Edition offenes Feld erschienen. Sie studierte Entwicklungspsychologie, Pädagogik und Medienwissenschaften. Jane Wels wurde 1955 in Mannheim geboren und arbeitete als Sozialtherapeutin und Sozialpädagogin. Dieser Band ist ihr erster Lyrikband. Vorher hat sie bereits in Zeitschriften und auf Onlineplattformen veröffentlicht. Auf Instagram finden sich viele Texte von ihr. Dort ist auch unsere ehemalige Schriftstellerhaus-Stipendiatin Katharina Ferner auf den Band aufmerksam geworden.
Ein liebevoll gestalteter Band
Den Schutzumschlag ziert eine farbige Zeichnung, die sich in schwarz-weiß, unter Weglassung einiger Details, auf dem grauen Buchdeckel wiederfindet. So zeigt sich schon in der Buchgestaltung etwas von der Kunst der Autorin, durch Reduktion Bilder aufscheinen zu lassen.
Schwankende Lupinen ist kein Pageturner. Man liest die Texte weder in Hast noch eilig, sondern man sie genießt sie, lässt sie auf Zunge zergehen. Gleich im ersten, titelgebenden Gedicht spricht das lyrische Ich über die schwankenden Lupinien:
Ich falle
aus mir heraus
in eine Spektralwolke.
Herzsprung:
heißblau,
kaltrot.
Schwankende Lupinen fauchen Löwenzahn.
Mit wenigen Worten werden neue Zusammenhänge erschlossen. Die letzte Zeile wird unmittelbar klar, wenn man weiß, dass die Lupinen eine invasive Pflanzenart sind.
Die Bilder entstehen im Kopf
Ihre rhythmisierte Sprache und ihre lyrischen Bilder evozieren beim Leser, eigene Gedanken. So wie es bei einem guten Brot ist, welches mit dicker Butter bestrichen und mit guter Wurst oder Käse belegt ist. Man beißt hinein. Durch die erste Schicht, den Belag. Dann kommt man auf die Butter und dann auf das köstliche Brot. So liest man die Gedichte von Jane Wels. Bissen um Bissen, Zeile für Zeile, Bild für Bild.
Oft kommt sie mit wenigen Zeilen aus, um ihre Aussage dem Leser nahe zu bringen. Manchmal sind es nur vier Zeilen:
Wie ein Tal,
das sich weitet,
Kriecht mir die Sehnsucht unter die Haut.
Am Horizont Spuren von rosarotem Weh.
Sie nutzt nicht die vielen modernen Formen, Gedichte aufzupeppen: ohne Zeichen, durchgehende Kleinschreibung. Nein, das ist Jane Wels fremd. Mehr als 20 Zeilen braucht sie nie, um ihre kleinen Kunstwerke glänzen zu lassen.
Und ein Schwarm Vögel ist auch vertreten
Wer kennt nicht das Gefühl eines frischen Morgens, in dessen Himmel die Vögel fliegen und man selbst mitfliegen will. Das drückt sie in folgendem Gedicht auf wunderbare Weise, in knappen Versen aus:
Dieser Morgen fühlt,
fühlt sich an,
wie ein Kind.
Die Welt fliegt,
fliegt hoch,
streut sich aus,
wie ein Vogelschwarm im Bauch.
Ich habe diesen Band der unbekannten Autorin genossen, den sie mir hat zukommen zu lassen, nachdem sie auf meinem Elsternest über meine Buchrezensionen aufmerksam wurde. Noch so ein liebevolles Detail: sie schrieb nicht nur eine kurze Widmung in den Band, sondern drückte ihm im wahrsten Sinne des Wortes auch noch ihren Stempel auf, indem sie einen Prägestempel in die untere Ecke setzte.
Schwankende Lupinen
80 Seiten, Hardcover mit Fadenbindung, Schutzumschlag
Edition offenes Feld, Dortmund, Preis: 19 €
zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens