Elsternest

Neulich, auf dem Weg zu den Gleisen

Sprechende Waren Kapseln von Dallmayr
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Neulich fuhr M. aus Stuttgart in seine Heimatstadt Dortmund, zog in den frühen Morgenstunden seinen Koffer hinter sich her. Dort, wo normalerweise großflächige Plakate über die Zukunft der Transporttechnologie informieren, sprach ihn an diesem Morgen eine Kapsel an. Sie stellte sich keck vor: „Ich bin Capsa“. M. hatte sie nicht gefragt, trotzdem laberte sie ihn an. Was soll das, dachte M. Ist die Espressokapsel schizophren geworden? Oder ist M. es selbst? Weshalb spricht eine Kapsel zu ihm?

Er würde sich nie und nimmer eine Kaffeemaschine kaufen, die tagtäglich Aluminiummüll produzierte und ihm für ein Kilo Kaffee ca. 30 € abverlangen würde. Leider ist das der neue Trend: Alle wollen Kaffee in Kapseln.

Ziemlich laut geht es auf der Webetafel her: Kapseln können jetzt sprechen. Wo bisher nur Produkte über farbige Verpackungen, also visuelle Reize auf M. wirkten, sprechen sie M. nun direkt an.

„Wackaging“ heißt die neue Mode der persönlichen Werbeansprache auf Verpackungen. Es ist der allerneueste Versuch, aus Kunden konsumfreudige Kinder zu machen. Wackaging ist eine Wortkreation aus wacky und packaging, also etwa bekloppte Verpackung. Auch wenn Produkte ohne Scherze auskommen, lässt sich mittlerweile kaum mehr unterscheiden, ob sie sich an M., einen Erwachsenen, richten oder an Kinder. Geprägt wurde der Begriff Wackaging von der Guardian-Journalistin Rebecca Nicholson, die auf Tumblr einen Blog zum Thema startete, der den Slogan führte: „I blame Innocent“. Die englische Fruchtsaft-Marke, die mittlerweile Coca-Cola gehört, ist der Urheber dieses sehr britischen Trends.

M. wollte sich nicht mit der Kapsel unterhalten und zog stoisch seinen Koffer zum Zug, der im Stuttgarter Kopfbahnhof auf ihn wartete.

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