In diesem Jahr wurden zwei Nobelpreise für Literatur vergeben. 2018 vergab die Schwedische Akademie aufgrund der Me-Too-Debatte keinen Preis. Es war der dramatische Höhepunkt eines aufsehenerregenden Skandals um Missbrauchsvorwürfe und Korruption.
Die Schwedische Akademie in Stockholm zeichnete damit am 10. Oktober Olga Tokarczuk (für das Jahr 2018) und Peter Handke mit diesem wichtigen Preis des Literaturbetriebs aus.
Ich freue mich besonders über die Vergabe des Preises an die polnische Autorin Olga Tokarczuk. Die Leiterin der Stadtbibliothek in Bad Cannstatt, Alexandra Kirchner, hatte mir die Autorin empfohlen. Alexandra hat über Olga Tokarczuk in ihrer Diplomarbeit geschrieben. Mit Begeisterung habe ich während meiner Polenreise 2017 den Roman Der Gesang der Fledermäuse gelesen. Der Roman wurde mittlerweile von der renommierten polnischen Regisseurin Agnieszka Holland verfilmt, er kam Anfang 2018 unter dem Titel Die Spur in die deutschen Kinos.
Olga Tokarczuk ist im besten Sinne des Wortes unkonventionell, rebellisch und sie ist mit der Lust an der Provokation ausgestattet. Mit Phantasie ohnehin. Phantasie ist die Waffe der Schwachen, die Macht der Ohnmächtigen, gegen die Machthaber und Zensoren. Fremde wie eigene Machthaber hatten den Polen über zwei Jahrhunderte immer wieder beizubringen versucht, dass sie jetzt schwach und ohnmächtig seien.
Die studierte Psychologin versteht sich als Anhängerin C. G. Jungs und begreift ihre Erzählungen auch als Demonstration der Einsicht, dass bestimmte Muster und Symbole, Jungs „Archetypen“, in allen Kulturen zu finden sind. Daher erklärt sich auch die Verwendung von christlicher Symbolik, biblischen Figuren, Märchen und Mythen.
Dass eine solche Inanspruchnahme des christlichen Erbes nicht in die Agenda eines nationalpatriotisch aufgeladenen und latent allen Fremden gegenüber negativ, feindlich eingestellt polnischen Katholizismus passt, versteht sich von selbst. Ihr jüngstes Buch erzählt die wahre Geschichte eines Mannes, der Jude, Muslim und Christ gewesen ist. Das knapp 1200 Seiten umfassendes Werk trägt den Titel Die Jakobsbücher.