Elsternest

Udo Zindel schreibt über ein „Heiß ersehntes Amerika“

Udo Zindel Heiß ersehntes Amerika Titelbild

Udo Zindel hat zusammen mit seinem Stiefvater einen Familienschatz gehoben. Briefe von zwei Vorfahren, die Mitte des 19. Jahrhunderts nach Amerika ausgereist sind.

Es war ein Zufallsfund – der Stiefvater des Autors, Bert, hatte nur die Garage aufräumen wollen. Dabei fand er in einem alten Holzkoffer ein verschnürtes Bündel Briefe von seinen Urgroßonkeln Carl und Friedrich Herzog.

Sie waren von den beiden aus der Neuen Welt geschrieben. Sie schickten sie aus Städten und Wildnissen der USA, gerichtet an die Verwandtschaft daheim in Stuttgart im Königreich Württemberg. Aufgrund der Unruhen in Stuttgart (Brotkravall) entschlossen sich Carl und Friederich, ihr Glück in Übersee zu versuchen. Zeitlich hintereinander überquerten sie den Atlantik von Bremerhaven bzw. Rotterdam nach New York. Carl verlässt im Oktober 1847 Stuttgart, nachdem er eine Haftstrafe aufgrund seiner Verwicklungen in die Demonstrationen rund um den Brotkravall abgesessen hat. Am 8. Januar 1848 landet Carl, nach einer Überfahrt von etwa 60 Tagen in New York an. Angesichts der prekären Situation auf dem Arbeitsmarkt, arbeitet er nicht in seinem Beruf als Setzer, sondern verdingt sich relativ schnell als Soldat und zieht in den amerikanisch-mexikanischen Krieg.

Der jüngere Bruder folgt dem älteren und gerät vom Regen in die Traufe

Friedrich, der jüngere der beiden Brüder Herzog, folgt dem Bruder von Rotterdam aus. Er schifft sich im Mai 1849 in Rotterdam ein und landet im Juli 1849 ebenfalls in New York. Er brauchte Anstöße von außen, um das Abenteuer zu beginnen. In Folge der 1848er Revolutin verschärften sich die politisch repressiven Zustände in Baden und Württemberg. Nach langen Gesprächen mit seinem weitblickenden Schwager fasste er den Mut und er folgte seinem Bruder Carl. Friedrich verschlägt es nach New Orleans, ins Zentrum des Sklavenhandels. Er arbeitete dort als Gärtner (wie in Stuttgart) und erlebt Seuchen-Epidemien mit Tausenden Toten und einen Fremden­hass, der sich vor allem gegen deutsche und irische Einwanderer richtete.

Diese Ausgangssituation nutzt Udo Zindel, um ein Buch über Amerika der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu schreiben. Zitate aus den Briefen der Brüder Herzog werden immer wieder in das Gesamtwerk eingeflochten. Wobei 23 Briefe zweier Handwerksgesellen nicht Stoff für ein 472 Seiten umfassendes Buch hergeben. Und so bedient sich Udo Zindel auch bei anderen Briefeschreibern und Zeitzeugen. Auf seiner mit seinem Stiefvater durchgeführten Recherchereise auf den Spuren der beiden Vorfahren besuchten sie in den USA einige Archive und lassen die Kopierer heißlaufen. Es versteht sich, dass die Soldatenzeit von Carl in den Militärarchiven besonders gut dokumentiert ist. Die Fülle der herangezogenen Literatur ist immens und am Schluss des Buches dokumentiert.

Zu viele Ebenen in einem Buch

Eine dritte Ebene wird durch die Reiseerlebnisse von Udo Zindel und seinem Stiefvater auf den Spuren der Urgroßenkel eingezogen. All das ist fleißig zusammen getragen und beschrieben, erzeugt bei dem Leser allerdings auch das Gefühl, über einen Flickenteppich zu schreiten. Vor allem die eigentlichen Erlebnisse der beiden Brüder in der Neuen Welt kommen bei dieser Form zu kurz. Der Leser weiß bis zum Schluss nicht so recht, ist es ein Erlebnisbericht oder ein Sachbuch. Erklärte Absicht des Autors war es, ein Sachbuch zu schreiben. Dafür schreibt Udo Zindel allerdings zu wenig stringent, wechselt zu beliebig von einem Thema zum anderen, erzählt von zu unterschiedlichen Lebenswelten in einer schwer nachvollziehbaren Mischung. Wobei den militärischen Aspekten, die Schlachten zur Eroberung des Westens und die Vernichtung der indigenen Bevölkerung, der größte Raum eingeräumt wird.

Der große Erzähler Karl May hatte einen anderen Weg eingeschlagen: auch er hatte Reiseberichte und historische Dokumente zur Neuen Welt gelesen und dann eigene Figuren erschaffen, die vor der historischen Folie als eigenständige Charaktere agieren. Auch bei Karl May lernt man viel über den Westen, verpackt in eine spannende Story. Udo Zindel besuchte während seiner Arbeiten an seinem Buch die Romansprechstunde von Moritz Hildt im Schriftstellerhaus. Er bekam, wie er selbst in einem Brief an das Schriftstellerhaus schrieb, Rückmeldungen, die in die Überarbeitung  seines Projektes positiv einflossen. Warum er diese Erfahrung in seinen ausführlichen Danksagungen mit keinem Wort erwähnt, bleibt unklar.

Heiß ersehntes Amerika
Auf den Fährten zweier Auswanderer

472 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag und Lesebändchen,
mit zahlreichen Abbildungen und Karten
Osburg Verlag, Preis: 30 €

zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens

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