Elsternest

Bob Dylan beim Jazz Open in Stuttgart

 

Es ist der erste Auftritt, den ich von dem heute achtundsiebzigjährigen Ausnahmemusiker erlebt habe. Lange hatte ich gezaudert, ob ich den Eintrittspreis von 80 € für einen Stehplatz zahlen sollte. Aber um 17 Uhr, 15 Minuten vor Einlass habe ich online eine Karte beim Veranstalter erstanden, für nur noch 35 €. Robert Allen Zimmerman, alias Bob Dylan, bleibt mit diesem Konzert seinem chamäleonhaften Weg treu, erfindet sich immer wieder neu.

Die Bühne, ausgestattet mit riesigen Scheinwerfern, die aus einem alten Hollywoodstudio stammen könnten, illuminieren die Bühne. Auf einem Gitarrenverstärker sein Oscar, den er 2001 für den besten Filmsong erhalten hatte (aus dem Film Wonder Boys). Rechts am Rand steht eine Frauenbüste auf einer korinthischen Säule. Ein Statement gegen die europäische Flüchtlingspolitik? Viel zu weit gedacht. Es handelt sich um eine Figur aus dem Pallas-Athene-Brunnen vor dem österreichischen Parlament. Die Frau symbolisiert die Moldau und sie verleiht der zweistündigen Show einen würdigen Rahmen.

Die Musik aus einem Guss

„Things Have Changed“. Ein typisches Dylan-Motto. Bei ihm ist immer alles anders. Er hat seine Lieder in ein völlig anderes Soundgewand gekleidet. Und das ist an diesem Abend aus einem Guss. Wobei es im Grunde zu trivial wäre, diese Sonette als Songs zu bezeichnen. Für diese kunstvolle Lyrik hat er vor zwei Jahren zu Recht den Nobelpreis für Literatur erhalten.

Seine allseits bekannten Songs erkenne ich häufig nur an einigen wunderbaren Textpassagen wieder so auch meinen Liebslingssong „It Ain’t Me Babe“. Die Musik ist an diesem Abend aus einem Guss: mal hart bluesig, mal fast orchestral, arbeitet sich dagegen am Original ab. Wobei ich mir die Frage stelle: Was ist denn das Original? Die Version, die vor 55 Jahren auf Platte gepresst wurde oder das Lied im heutigen Gewand, immer wieder neu bearbeitet, umgeschrieben und optimiert?

Dylan arbeitet seit Jahren mit hervorragenden Musikern

Hervorzuheben ist die exquisite Begleitband, die Bob Dylan mit auf die Bühne gebracht hat: Der Bassist Tony Garnier webt einen satten Rhythmus mit seinem akustischen Bass, greift auch mal zum Bogen oder tauscht ihn gegen einen E-Bass ein. Mit dem Schlagzeuger George Recile – mit feschem schmalkrempigen Hut, im Gegensatz zu Bob Dylan, der einen sehr breitkrempigen trägt -bildet Tony Garnier das rhythmische Fundament.

Gitarrist Charlie Sexton steht seit 1999 immer wieder an der Seite von Bob Dylan auf der Bühne und treibt mit seinem virtuosen Spiel die Songs voran. Donnie Herron glänzt an vielen Instrumenten: Pedalsteel Gitarre, Lapsteel Gitarre, Mandoline, Banjo und Violine. Bob Dylan sitzt meist am Flügel, schnappt sich manchmal einen Mikrofonständer und singt ohne Instrument. Wenn er so auf der Bühne steht, sieht man ihm sein Alter an: an seiner leicht gebückten Haltung, an seinen verknöcherten Händen. Die Gitarre, früher sein Markenzeichen, hat er nicht mitgebracht, aber seine Mundharmonika.

Eine Zugabe lässt sich der Meister abringen, dann gehen er und seine Band von der Bühne. Seine „Never Ending Tour“ wird in den nächsten Tagen weiter gehen, wie seit 30 Jahren.

Ausnahmsweise habe ich keine Aufnahmen von dem Konzert gemacht, obwohl ich trotz strenger Taschenkontrolle meine Kamera dabei hatte. Aber Bob Dylan verbittet sich alle Aufnahmen. Er hat auch schon mal ein Konzert wegen Missachtung dieser Bitte abgebrochen.

Der Vollständigkeit halber hier die Setlist:

  • Ballad of a Thin Man
  • It Ain’t Me, Babe
  • Highway 61 Revisited
  • Simple Twist of Fate
  • Can’t Wait
  • When I Paint My Masterpiece
  • Honest with Me
  • Tryin’ to Get to Heaven
  • Scarlet Town
  • Make You Feel My Love
  • Pay in Blood
  • Like a Rolling Stone
  • Early Roman Kings
  • Girl of the North Country
  • Love Sick
  • Thunder on the Mountain
  • Soon After Midnight
  • Gotta Serve Somebody
  • Blowin’ in the Wind
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