Elsternest

Ein ungewöhnliches Buch: „Rolle rückwärts“

Depression Fatigue Syndrom
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Vom Chronischen Fatigue Syndrom hatte ich noch nie gehört, bis ich das Buch einer Mutter las, deren erwachsener berufstätiger Sohn unter einer rätselhaften Krankheit litt, zuerst arbeitsunfähig und dann über Jahre erst teils dann gänzlich pflegebedürftig wurde. Die Krankheit stellte sich als Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) heraus.

Ein Buch zur richtigen Zeit

Das Buch von Hannah Falk Rolle Rückwärts kommt zur richtigen Zeit: Eine wachsende Zahl von an Corona-Erkrankten leiden unter Long Covid. Long Covid wird ebenfalls von den Medizinern als Chronisches Fatigue Syndrom beschrieben. Hier ist der Auslöser das Corona-Virus. Beim Sohn der Autorin war der Auslöser das Pfeiffersche Drüsenfieber, hervorgerufen vom Eppstein-Barr-Virus.

Das Buch schildert die emotionale Achterbahn, die Hannah Falk und ihr Mann über Jahre erlebten. Ihr Sohn Fabian, ein sehr sportlicher Maschinenbaustudent, schien sein Leben im Griff zu haben. Über Jahre hinaus forderte er von sich Höchstleistungen: im Sport (Kraftsport, Kiten) als auch im Studium an einer Exzellenzuniversität mit teils zehnstündigen Klausurvorbereitungen am Tag. Energiedrinks füllen scheinbar seine Reserven auf. Trotz erster Krankheitssymptome beginnt er nach seinem Studium eine stressige Berufslaufbahn als Diplom-Ingenieur, die auch mit Auslandseinsätzen verbunden ist. Mehr und mehr bestimmt die Krankheit sein Leben, er muss einer anderen Tätigkeit in der Firma nachgehen und wird über Jahre zum Pflegefall. Seine Eltern unterstützen ihn während der ganzen Zeit, pflegen ihn, besorgen ihm eine Wohnung in ihrer Nähe.

Ein schonungsloser Erfahrungsbericht

Die Autorin zeichnet den Weg ihres Sohnes in die Krankheit nach. Dabei greift sie auch zu Kurznachrichten und E-Mails, die die beiden sich geschrieben haben. Die Autorin hat alles anonymisiert, den Namen ihres Sohnes, auch ihr Name ist ein Pseudonym.

Dieses „Sich-Quälen-Können“ und „Nicht-auf-den-Körper-Hören“ hatten Fabian in die Krankheit gebracht, aber später auch wieder aus der Krankheit geführt. Dass er konsequent den Kontakt zu seinen Eltern, die ihn über die vielen Jahre seiner Krankheit aufopferungsvoll unterstützt hatten, abbrach, ist eine der vielen Tragödien, die Hannah Falk in ihrem Erfahrungsbericht schonungslos schildert.

Durch die Einbindung der elektronischen Korrespondenz zeigt die Autorin nicht nur die emotionale Achterbahn der über 5 Jahre anhaltenden Krankheit ihres Sohnes nachvollziehbar auf. Sie wirft einen fachkundigen Blick auf die medizinischen Therapieansätze. Als Doktor der medizinischen Wissenschaft gelingt ihr das mit prägnanten Hintergrundinformationen, die die ehemalige Medizinjournalistin durch Informationskästen in den Text einfügt. Auch alternative Heilmethoden werden sachkundig geschildert. Die vielen Illusionen und Versprechungen, die sich ihr Sohn darüber macht und die zum allergrößten Teil nicht erfüllt werden, ihn nur sehr viel Geld kosten, werden als das geschildert, was sie sind: Sackgassen.

Therapeuten nehmen die Familie in den Blick

Eine psychoanalytische Therapie lässt lassen ihn anders auf seine Herkunftsfamilie blicken als noch vor der Krankheit. Er wirft seinen Eltern vor, letztendlich für die Krankheit „verantwortlich“ zu sein. Und auch diese Phase grenzt Hannah Falk in ihrem Buch nicht aus, schildert, welchen Einfluss diese „Genesungsphase“ der letzten vier Jahre auf ihre Ehe und Familie hat. Der immerwährende Kampf um Nähe und Distanz, die Hilferufe des Sohnes, der in einer dramatischen Phase sogar durch seine Erkrankung in den Rollstuhl gezwungen wurde und den sie aufgrund seiner Erkrankung in ihre Nähe holten, um ihn besser unterstützen zu können. Hannah Falk zieht den Leser in diesen Krankheitsbericht und lässt ihn mit der Autorin hoffen, dass es irgendwann vorbei ist mit dieser Krankheit, vor der die Ärzte und Therapeuten hilflos stehen, die lange gar nicht wissen, woran Fabian erkrankt ist. Das liest sich nie weinerlich. Aber auch nicht nur sachlich distanziert. Es ist der schonungslose Blick auf ihr Kind, immer getragen von Empathie.

Ein ungewöhnlicher Weg aus der Krankheit

Nach fünf Jahren Krankheit kämpft sich der junge Mann ins Leben zurück. Die Lösung seiner Probleme und schließlich Heilung seiner Krankheit findet er in einem ausgeklügelten Gehirn-Retrainingsprogramm, das Elemente aus vielen Bereichen des Coachings und der Therapie nutzt. Bei dem Programm geht es darum, ein Trauma in einer bestimmten Gehirnregion, der Amygdala, die für den Kampf- und Fluchtinstinkt zuständig ist und bei CFS Tag und Nacht aktiv ist, durch Reprogrammierung aufzulösen. Dazu gehören NLP, Atemarbeit und andere Therapieansätze, verbunden mit Elementen der Meditation. Entwickelt hat das Programm Ashok Gupta, ein britischer Ökonom, der selber an CFS erkrankte. Heute vermittelt er seine Methode, aus der Krankheit zu gelangen, überwiegend durch Online-Kurse und durch die Ausbildung von CFS-Coaches. Fabian übte dieses Programm und kam so aus dem langanhaltenden Teufelskreis. Heute ist er vollständig genesen und arbeitet wieder.

Fazit

Ein aufschlussreiches Buch über ein Krankheitsbild, das durch die Corona-Pandemie an Aktualität gewonnen hat. Ein Bericht, der Mut macht, sich der Krankheit als Eltern, Angehörige und Freunde zu stellen. Das Buch schildert Heilungsmöglichkeiten, aber auch Sackgassen, die nicht aus der Krankheit herausführen. Darüber hinaus ist es der ungeschminkte Bericht einer Mutter, die mit großem Sachverstand medizinischen Background zu vermitteln versteht und mit vielfältigen Informationen zum Thema ME/CFS und chronischer Erschöpfung beim Long-Covid- und Post-Vac-Syndrom zu überzeugen weiß.

Hannah Falk: Rolle Rückwärts
Sohn: erwachsen | Diagnose: CFS Chronic Fatigue Syndrom | Erschöpfung bei Long Covid

Krankheit, Buchcover "Rolle rückwärts"Druck und Distribution im Auftrag der Autorin bei:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland
Als Taschenbuch, 138 Seiten, ISBN 978-3-347-79719-2
Preis 16,90 €
oder als E-Book, ISBN 978-3-347-79725-3
Preis 9,99 €

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4 Kommentare

  1. Wenn ein Mesch nach fünf Jahren wieder gesund wird, ist das für ihn und die Mutter ein Geschenk. Darüber aber ein Buch zu schreiben, macht mir den Eindruck, dass es sie drängt, in der Öffentlichkeit sich bemerkbar zu machen.
    Wie verarbeiten Eltern das Problem, dass sie ein contergangeschädigtes Kind haben, oder ein Kind mit einer anderen unheilbarern Krankheit. Wenn alle darüber schreiben würden, wäre der Markt überfüllt.
    Kurz gesagt, es gibt viel Schlimmeres als das, worüber diese Frau schreibt.
    Gruß Hans.

  2. Ich denke, es geht nicht darum, ein Leid mit einem anderen aufzurechnen. Was das Buch so wertvoll macht – neben den Einblicken in diese Form der Krankheit – ist das Aufzeigen der schwierigen Situation, in die Angehörigen dadurch geraten.
    Fabian hat einen Weg aus der Krankheit gefunden. Für ihn und seine Eltern ist das großes Glück. Dass uns die Autorin voller Empathie dieses gemeinsam gemeisterte Schicksal nahe bringt, ist ein großes Glück für uns Leser.

  3. I am really impressed with your writing skills and also with the layout on your weblog. Is this a paid theme or did you modify it yourself? Either way keep up the excellent quality writing, it’s rare to see a great blog like this one these days.

    Chris, Jewish Studies Washington

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