Elsternest

Eine Theologin diskutiert mit ihren zwei Kollegen den Roman von Arno Geiger

"Unter der Drachenwand": Monika Renninger, Matthias Vosseler, Eberhard Schwarz
Theologen in lebhafter Diskussion über „Unter der Drachenwand“: Monika Renninger, Matthias Vosseler, Eberhard Schwarz (v.r.n.l.)

 

Gleich zu Anfang der gut besuchten Veranstaltung am 25.09.19 in der Kirche des Hospitalhofs wurden die beiden Begriffe „Mondsee“ und „Drachenwand“ in den Blick gerückt. Der weit entfernte Mondsee und die bedrohliche Drachenwand.

Eberhard Schwarz
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Unterschiedliche Romanfiguren werden betrachtet

Die drei Theologen stellen den Zuhörern im voll besetzten Kirchenschiff die unterschiedlichen Romanfiguren vor. Pfarrer Eberhard Schwarz stellt den Soldaten Veit Kolbe vor. Zu Beginn des Romans empfindet er ihn als einen tumben Tor, der allerdings im Laufe des Romans eine erstaunliche Passage durchmacht. Wie in der biblischen Geschichte von Adam und Eva muss er sich mit der Frage auseinandersetzten, was ist gut, was ist böse? Schnell kommt es im Laufe der Handlung zum Bruch mit seinem Vater. Veit, schwer verwundet aus dem Krieg zurück, kann den Hurrapatriotismus seines Vaters nicht ertragen, der als Nazi unverbrüchlich zum Führer steht.

Monika Renninger
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Frau Monika Renninger zeichnet das Bild der Antagonistin zu Veit als eine Person, die in ihrer Körperlichkeit, ganz im Gegensatz zu Veit, unversehrt ist. Sie hat eine Leichtigkeit, die ihr die Kraft gibt. Hinzu kommt, dass sie als junge Mutter, getrennt von ihrem im Krieg sich befindenden Mann, in Verantwortung gegenüber ihrem Baby Lilio steht. Ihr Kampf gilt dem Überleben ihres Kindes, nicht dem Niederringen eines äußeren Feindes. Sie wird als eine gezeichnet, der der Schutz des Lebendigen wichtig ist. Führsorgliche Beziehungen sind zu schützen, Zärtlichkeit und Liebe stehen im Mittelpunkt. Das kann sie nicht mit ihrem angetrauten Mann leben.

Der Brasilianer eine Person im Geiste Luthers?

Matthias Vosseler
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Für Pfarrer Matthias Vosseler ist der Brasilianer einer, die die Luft der Freiheit atmet. Er hält mit seiner Meinung über den F. nicht hinter dem Berg und hält den Krieg für falsch. Matthias Vosseler kann an ihm sogar lutherische Züge erkennen: der Brasilianer geht seinen Weg und folgt nur seinem Gewissen. Selbst das Zuchthaus, in das er zwangsläufig wegen seiner Opposition zum Nazi-Regime kommt, kann ihn nicht brechen. Einstehen für die eigene Meinung atmet den Geist der Bibel, so Vosseler.

Der jüdische Zahntechniker Oskar Meyer ist mit seinem jüngeren Sohn Georgelie und seiner Frau Wally aus Wien nach Budapest geflohen. Sein älterer Sohn Bernhard hat das sichere England erreicht. Pfarrer Eberhard Schwarz erläutert, dass das vorherrschende Bild im Nationalsozialismus vom raffgierigen Juden in den Reflektionen von Oskar Meyer ins Gegenteil verkehrt wird: Es sind die Deutschen, die Arier, die in ihrer Gier Bodenschätze und Land durch Krieg raffen und alle Güter zu Geld machen, die ihnen in die Hände fallen.

Oskar Meyer eine Hiobs-Figur?

Natürlich muss in solch einer theologisch grundierten Diskussion die Frage aufkommen, wie Gott das alles zulassen kann. Das Koordinatensystem des Oskar Meyer ist brüchig geworden, es geht für ihn nur noch um das nackte Überleben. Übereinstimmende Meinung der drei ist, dass es sich bei Oskar Meyer nicht um eine Hiobsfigur handelt, dessen Glauben durch Gott auf die Probe gestellt wird. Er hält sich, nach Verlust seiner Frau und seines Sohnes an einem Fetisch fest. Das rote Halstuch seiner Frau Wally ist ihm das Liebste geworden. Solange er das bei sich hat, fühlt er sich – wenn auch nur ein wenig – geschützt.

Bei Veit ist es die Liebe, die ihn schützt, beim Brasilianer ist es die Freiheit des Geistes, an der er sich aufrichten kann. So hat jede Figur seine Rückzugsräume in den grausigen Zeiten. Schön, dass Monika Renninger einige kurze Psalmentexte rezitiert, die eine wahre Kraftquelle für gläubige Menschen darstellen.

Der Roman löst in seinem Erzählen die Spannungspunkte nicht auf, in denen die Figuren stehen. Der Leser bleibt zurück, Trost kann ihm ein wenig das Nachwort geben, in dem die weiteren „Schicksale“ der Figuren angedeutet werden und das der Erzählung einen Anstrich von Authentizität gibt. Zum Schluss zieht Pfarrer Schwarz ein einfaches Fazit: Krieg ist Scheiße!

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