Der diesjährige Friedenspreis der Anstifter wurde am 10.12.16 im Theaterhaus an den Friedensaktivisten Jürgen Grässlin verliehen. Der Friedenspreis ist mit 5.000 € dotiert.
Die Anstifter zeichnen damit einen Mann aus, der seit Anfang der 1980er Jahren gegen die Waffenindustrie und ihre tödlichen Exportgeschäfte kämpft. Mit Worten und Aktionen, nicht mit Waffen. Für ihn sind das geschriebene und das gesprochene Wort die wirksamsten Waffen gegen die Todesindustrie.
Jürgen Grässlin hat Heckler & Koch schon lange „im Visier“
Schon 1989 gründete er am Hauptsitz des Rüstungskonzerns Heckler & Koch in Oberndorf das Rüstungs-Informationsbüro Oberndorf (RIO). Seitdem legt er sich mit dieser Waffenschmiede an, die durch ihren Kleinwaffenexport Millionen von Kriegstoten und Verwundeten auf der Welt verantwortet.
In seinem Buch „Versteck dich, wenn sie schießen“ von 2003 gibt er anhand konkreter Fallbeispiele den Opfern eine Stimme. Für seine Recherchen reiste er in die Bürgerkriegsgebiete Somalia und Türkei und sprach mit Opfern deutscher Gewehrexporte. Was er dort erlebte, prägt ihn bis heute und lässt ihn mutig seinen Weg gehen, trotz massiven Drucks aus Wirtschaft und Justiz.
Ermittlungen gegen der Kläger
Stuttgart ist für Jürgen Grässlin nicht nur der Ort, an dem er mit dem Friedenspreis ausgezeichnet wird, es ist auch der Ort, an dem er und seine Mitstreiter Strafanzeigen gegen Heckler & Koch und den Rüstungskonzern Carl Walther gestellt haben. Hier sitzt die zuständige Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Baden-Württemberg. Angestoßen durch die Vorermittlungen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat nunmehr die Münchener Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn und seine Mitautor Daniel Harrich und die Dokumentarfilmerin Danuta Harrich-Zandberg wegen ihrer Veröffentlichungen von Insiderdokumenten zu widerrechtlichem Waffenhandel in ihrem Buch „Netzwerk des Todes. Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden“ aufgenommen. Das ist kafkaesk.
Starke Netzwerke sind notwendig zur Überwindung des Todeskartells
Jürgen Grässlin weiß, die Arbeit gegen die waffenproduzierende Industrie und die exportorientierte deutsche Politik kann nur mit einem breiten Bündnis zum Erfolg geführt werden. Seine „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ ist ein wichtiges Bündnis, in dem er ganz unterschiedliche Akteure der Zivilgesellschaft zusammengeführt hat. Von der Initiative „Aachener Friedenspreis“ über diverse Friedensnetzwerke, kirchlicher Aktionsgruppen bis hin zu gewerkschaftlich Gruppierungen, hat er sein Netzwerk gegen die Händler des Todes gewebt. In seiner Dankesrede zeigt er auf das neben dem Rednerpult aufgestellte Plakat der Anstifter und sagt: „Ich bin der festen Überzeugung, dass das stimmt, was da steht: Eine andere Welt ist möglich. Und nicht, weil die Gegenseite sagt, es ist nicht möglich, sondern weil wir fest daran glauben, dass wir diese Welt ändern werden und wir werden sie ändern“. Und der Netzwerker Grässlin wäre nicht Grässlin, würde er nicht auf seine neue Aktion an diesem Abend hinweisen: Er will Grenzen für Menschen öffnen und Grenzen für Waffen schließen.
Am Ende seiner kurzen Dankesrede holt er seine Frau auf die Bühne, küsst sie und bedankt sich bei ihr für ihre Unterstützung auch in sehr schweren Zeiten. Diese Geste der Dankbarkeit gegenüber seiner Frau Eva wird zu einem bewegenden Augenblick der Feier, die in diesem Jahr ganz in der Hand von Frauen liegt.
Die Anstifter: fest in Frauenhand
Die promovierte Politikwissenschaftlerin, Mitbegründerin der taz, Journalistin und Autorin Dr. Ute Scheub hält die Laudatio auf den Preisträger. Sie, die Koordinatorin des weltweiten Projektes „Peace Women Across the Globe“ ist, trägt Jürgen Grässlin die Ehrenmitgliedschaft in der Organisation an für sein Engagement für den Frieden. Durch den Abend führt die Schauspielerin Barbara Stoll, die dieses höchstprofessionell macht, ist sie doch häufig mit der Aufgabe einer Moderation betraut und kann aufgrund ihrer Ausbildung als Schauspielerin schnell auf die unterschiedlichen Situationen an einem solchen Abend reagieren. Und die Anstifter werden durch ihre frisch gewählte, neue Vorsitzende Dr. Annette Ohme-Reinicke repräsentiert.
Die Anstifter haben gelernt, wie wichtig bei solch „textlastigen“ Veranstaltungen zur Ehrung eines Mitgliedes der Zivilgesellschaft ein kultureller Rahmen ist und haben die Gruppe Foaie Verde eingeladen, die auf hohem musikalischen Niveau die Gäste mit ihrer Gypsy-Musik verzaubern.
Peter Grohmann, der aus dem Vorstand der Anstifter ausgeschiedene Mitbegründer der Anstifter, hat das Schlusswort und er hält es mit der gleichen Verve, wie all die Jahre zuvor, humorvoll, warmherzig und aufrüttelnd. Seine Rede ist hier nachzulesen.
Eine Auswahl der Bücher von Jürgen Grässlin
Versteck dich, wenn sie schießen
Droemer Knaur
Das Buch ist vergriffen. Der Autor bietet es hier zum Herunterladen an.
Schwarzbuch Waffenhandel: Wie Deutschland am Krieg verdient
Taschenbuch, 624 Seiten
Heyne, Preis: 14,99 €
Jürgen Grässlin, Daniel M. Harrich, Danuta Harrich-Zandberg
Netzwerk des Todes: Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden
Broschiert, 384 Seiten
Heyne, Preis: 16,99 €
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