Den mit 10.000 € dotierten Maria Ensle Preis erhält dieses Jahr der Schriftsteller Hermann Kinder. Die Räume der Kunststiftung Baden-Württemberg bildeten den würdigen Rahmen für die Preisübergabe am 2. Dezember 2014. Sein letzter, hochgelobter Roman „Der Weg allen Fleisches“ erschien dieses Jahr im Weissbooks Verlag. Darin schildert er den körperlichen Verfall eines Endsechzigers auf eindrückliche Weise. Dieser Roman trägt stark autobiografische Züge. Darum war es für seinen Verleger, Dr. Rainer Weiss, nicht wirklich überraschend, dass Hermann Kinder den Preis krankheitsbedingt nicht persönlich entgegen nehmen konnte. Das erklärte mit großem Bedauern sein Laudator, Prof. Dr. Hansgeorg Schmidt-Bergmann von der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe. Er führte die Gäste fachkundig in das wenig bekannte Werk des Schriftstellers ein. Ein Werk, wiewohl umfangreich, aber abseits der Bestsellerpfade verortet.
Der 1944 in Thorn (Polen) geborene und in Konstanz lebende Schriftsteller studierte Kunstgeschichte sowie Niederländische und Deutsche Philologie in Münster, Amsterdam und Konstanz. Von 1972 bis 2008 war er an der Universität Konstanz tätig. Um sich ganz seinem schriftstellerischen Werk widmen zu können, ließ er sich immer wieder beurlauben.
Kinder veröffentlicht seit 1977 (u.a. Der Schleiftrog, 1977, Vom Schweinemut der Zeit, 1980 und Himmelhohes Krähengeschrei, 2000). Sein Werk zeichnet sich durch feinste Beobachtungen und sensible Wahrnehmung aus. Für seinen Erstlingsroman, „Der Schleiftrog“, erhielt er den Hungertuchpreis. In seinem Erstling beschreibt er einen in der Studentenbewegung sozialisierten jungen Mann. Prof. Dr. Hansgeorg Schmidt-Bergmann stellte diesen Roman auf eine Stufe mit den viel bekannteren Romanen „Lenz“ von Peter Schneider und „Heißer Sommer“ von Uwe Timm. Diese drei Romane seien die wichtigsten Werke zum Thema der Studentenbewegung in der alten BRD. Die Erzählung „Himmelhohes Krähengeschrei“ ist eine verstörende Auseinandersetzung mit dem Leid der Welt. 1986 nahm er einen Lehrauftrag in Schanghai an. Seine Chinaerfahrungen verarbeitete er in der Erzählung „Kina, Kina“. Das Kindersche Œvre umfasst mehr als dreißig Bände.
Preisübergabe
Die Beiratsvorsitzende der Kunststiftung Baden-Württemberg, Frau Helen Heberer, erläuterte den Hintergrund des Preises: Der Maria Ensle Preis wird an erfahrene Künstlerinnen und Künstler vergeben, deren Werk bis zu diesem Zeitpunkt nicht die ihm zustehende Ehrung erhalten hat. Mit dem Preis sollen das bisherige Werk gewürdigt und die weitere Arbeit unterstützt werden. Den symbolischen Scheck überreichte sie in Vertretung von Hermann Kind dem Verleger seines letzten Buches, Herrn Dr. Weiss.
Hermann Kinder hatte einen Brief geschrieben, in dem er sich für die Auszeichnung bedankte.
Madeleine Frey von der Kunststiftung verlas ihn und stellte damit eine spürbare Nähe zu dem erkrankten Autor her.
Mit ihrer ungewöhnlichen Live-Performance moderner Gesangskompositionen umrahmte das Kammermusik-Ensemble „Neue Vocalsolisten“ den Abend.
Die Werke von Hermann Kinder sind in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens zu erwerben. Viele davon sind allerdings nur noch antiquarisch zu erhalten. Schauen Sie doch mal im Bohnenviertel bei Buch & Plakat vorbei.