Elsternest

Im Wein liegt Wahrheit

Lesung Buch & PlakatEine Weinprobe ganz besonderer Art gestern im Bohnenviertel: Die kleine, sympathische Buchhandlung „Buch und Plakat“ lud zur literarischen Weinverkostung ein. Die Inhaber Monika Lange-Tetzlaff und Robert Tetzlaff lasen heitere, besinnliche und auch hinterlistige Texte zur Verkostung der ökologisch angebauten Weine. Gerrit Brust-Bader von der Agentur „People to People“ hatte eine wunderbare Auswahl von Weiß- und Rotweinen dabei, die er den literarisch interessierten Weinliebhabern ausführlich erklärte. Nicht nur die Frage nach der Bodenbeschaffenheit, die dem Wein seinen spezifischen Geschmack gibt, wurden beantwortet, auch Traubennamen wurden erklärt. Besonders hat die Elster gefreut, dass der Merlot eine Anspielung auf das französischen Wort Merle ist, auf Deutsch Amsel. Ein Verweis auf die Vorliebe der Amseln auf die rote Rebsorte, die besonders früh reift. Die Lerche machte gleich den Vorschlag, ob man nicht die Merle mitnehmen solle, eine Skatrunde wäre zusammen.

Weder die Leche noch die Elster wussten, dass der Österreichische Wein „Tirolinger“ der Großvater ihres geliebten Trollingers ist. Böse Zungen behaupten, Trollinger sei eine Verballhornung des Wortes Tirolinger. Hört man den Schwaben nach dem vierten Glas Trollinger das fünfte Viertele bestellen, erschließt sich einem diese Lautverschiebung.

Auch geschichtlich konnten wir Weintrinker einiges erfahren:
Die Reblaus wurde aus Amerika eingeschleppt und vernichtete im 19. Jahrhundert in Europa große Teile des Weinbaus. Sie wurde in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts durch Rebstöcke von der Ostküste Amerikas über London ins südliche Frankreich eingeschleppt und breitete sich in der Reblausinvasion rasant von dort über sämtliche europäische Weinbaugebiete aus. Damit war sie der zweite Schädling, der den Europäern große Verluste bereitete. Schon die großen Hungersnöte in Irland waren aus Amerika durch die „Kartoffelfäule“, einem Pilz ausgelöst worden. Heute werden wir durch Trojaner und Geheimdienste aus Amerika beschädigt.

Im Bohnenviertel wohnten damals Tagelöhner, die sich in den umliegenden Weinbergen verdingten. Die Bezahlung war miserabel, sie zogen in ihren kleinen Hinterhöfen Bohnen. Eine bekanntlich platzsparende Gemüsesorte mit hohem Sättigungswert. Heute sind die meisten Weinberge der Erschließung lukrativer Immobilien gewichen und die Tagelöhner einer quirligen Szene von kleinen Handwerkern, Kneipen, Galerien und literarischen Kleinoden. T he Times They Are A-Changin“, wie der alte Bob schon vor knapp 50 Jahren sang.

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