Am 3. November 2016 las Signe Sellke im Schriftstellerhaus in der Kanalstraße 4. Für sie, langjähriges Mitglied im Vorstand des Vereins, ein Heimspiel.
Signe Sellke, 1942 in Plaue an der Havel in der Mark Brandenburg geboren, wohnt seit vielen Jahren in Schwäbisch Gmünd. Sie war im Schul- und Hochschuldienst tätig und engagierte sich im Friedrich-Bödecker-Kreis Baden-Württemberg, der sich der Leseförderung und Literaturvermittlung für Kinder und Jugendliche verpflichtet sieht.
Signe Sellke stellt neuen Gedichtband vor
Ihr neuer Gedichtband ist in vier Kapitel eingeteilt, wie Astrid Braun in ihrer Einführung erläutert. Ein Teil der Gedichte ist bereits in Signe Sellkes aktiver Zeit im Schuldienst entstanden und sie hat sich erst jetzt entschlossen, sie zu veröffentlichen. Angefangen hat ihr lyrischer Weg mit Protestsongs, die sie gegen die Stationierung der Pershing-Raketen geschrieben hatte. Der nach dem US-General des Ersten Weltkrieges, John Joseph Pershing, benannte Raketetyp wurde durch den NATO-Doppelbeschluss bekannt. Gegen dessen Stationierung protestierte die westdeutsche Friedensbewegung Anfang der 1980er Jahre. Vier Kilometer von Signe Sellkes Haus, in Mutlangen, sollten diese Raketen stationiert werden, die sie als Bedrohung für sich und ihre Kinder ansah.
Eine weitere Bedrohung in den lyrischen Blick genommen
Und das Atomkraftwerk Grundremmingen, ebenso bedrohlich, mit seiner Technologie, die nicht beherrschbar ist. Im ersten Abschnitt ihres neuen Gedichtbandes Das eigensinnige Summen des Lichtes findet sich ein Gedicht eben dazu. Signe Sellke versteht es, Themen in lyrische Sprache zu kleiden, ohne in einen Ton der platten Agitation zu verfallen. In dem Gedicht beschreibt sie die bedrohliche Situation wie folgt:
Morgens über Grundremmingen
windverzweigtes Rotviolett
die Lunte glühend hingestreckt
So viel Zunder über dem Land
das noch schläft
Leichtfüßig hat sie diese Zeilen in ihrem ersten Kapitel Gussenstädter Fahrten untergebracht, in dem sie Beobachtungen auf ihrem Weg zur damaligen Arbeitsstätte beschreibt. Den Titel Fahrtenschreiber, den sie ursprünglich für diesen Zyklus gewählt hatte, wollte sie nicht weiter verwenden, nachdem Jose F. A. Oliver einen seiner Gedichtbände unter diesem Titel veröffentlicht hatte.
Engagement für Geflüchtete
Das zweite Kapitel des Bandes trägt den Titel Die Wiese. Signe Sellke hat in einer Kaserne Flüchtlingskinder unterrichtet und diese Erfahrungen in Lyrik verarbeitet. Ihre Beobachtungen sind die aus der Gitterperspektive eines Kasernenfensters heraus. Wunderbar, wie sie die Anmut einer aus Angola stammenden Frau beschreibt, die in ihrem leuchtenden Kleid durch die Wiesen läuft und wie sie den Rhythmus der afrikanischen Trommeln in ihrem Gang lyrisch erfasst.
Lakonie zeichnet die Überschrift des dritten Teils ihres neuen Bandes aus, aus dem sie liest: Immer ist etwas. Ganz im Gegensatz zu der Überschrift des vierten Teils ihres Bandes, der eine eigene Geschichte zu erzählen scheint. Das rauhaarige Heil aller Schäden. Da beschreibt sie die Sonne, die Zähne kriegt und beschreibt das Land als „aufgeschlagen“. Vom Odermenning ist in einem Gedicht die Rede und Signe Sellke erläutert, Odermenning sei eine Heilpflanze, die sich klettenartig an die Kleidung anhaftet, wenn man durch die Wiesen streift. Und über den Winter liest sie ihre wunderbaren Zeilen:
Der Winter reibt seinen Kern ins Land
Aus den Mähnen der Häuser
wachsen silberne Zöpfe
einsilbige Bäume spreizen ihr Glas
Wir reden uns den Schnee entlang
unsere weißen Wörter
schlagen Wurzeln in der Luft
Kann man schöner den Winter beschreiben? Wahrhaftig, Signe Sellke ist eine Lyrikerin der leisen Töne und hat ihre ZuhörerInnen im Schriftstellerhaus mit ihrer Lesung dafür eingenommen.
Das eigensinnige Summen des Lichtes
64 Seiten, Fadenheftung mit Schutzumschlag
Einhorn-Verlag+Druck GmbH, Preis: 18,00 €
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