Das Schriftstellerhaus Stuttgart lud am 22. Juni 2018 die Autorin Sudabeh Mohafez ins Haus der pensionierten Architektin Uta. P. in Sillenbuch ein.
Das Konzept der Reihe “Literatur im Salon”: Privatleute stellen ihr Wohnzimmer zu Lesungen zur Verfügung. Schon zum dritten Mal finden diese Veranstaltungen des Schriftstellerhauses statt und erfreuen sich großer Beliebtheit. Dieses Jahr ist die Reihe überschrieben mit „Sie liest“. Ausnahmslos werden Autorinnen vorgestellt. Viele dieser Autorinnen haben als Stipendiatinnen das Schriftstellerhaus als Refugium im Rahmens eines Stipendiums kennen gelernt. Die Salonlesungen sind Teil des diesjährigen Literatursommers der Baden-Württemberg-Stiftung unter dem Titel: Frauen in der Literatur. Das Schriftstellerhaus hat mit seiner Teilnahme den Blick auf die Frau als Schreibende gerichtet.
Sudabeh Mohafez wurde 1963 im Iran geboren. Ihre deutsche Mutter ehelichte einen Iraner und lebte mit der Familie dort bis 1979. Dann zieht sie mit ihren Kindern nach Berlin. Dort studierte Sudabeh Mohafez Musik, Anglistik und Erziehungswissenschaft. Sie war Mitarbeiterin in verschiedenen Nichtregierungsorganisationen im Bereich der Gewaltprävention und leitete ein autonomes Frauenhaus. Seit 2004 ist sie freie Autorin und lebt heute, nach dem Absprung aus Berlin – in dem sie 27 Jahre lebte – und einigen Jahren in Lissabon, in Baden-Württemberg.
10 Zeilen jeden Morgen
In Lissabon hatte sie sich zur Angewohnheit gemacht, morgens jeweils 10 Zeilen zu schreiben und diese Aufschriebe nur einmal zu überarbeiten. Danach entschied sie, ob sie die Kurzprosa auf ihrem Blog veröffentlicht oder nicht. 2010 ist daraus in der Edition AZUR, ansässig in Dresden, das 10-Zeilen-Buch entstanden. Es enthält eine Auswahl aus diesen Texten. An diesem Abend liest sie einige dieser Geschichten. Kurzprosa ist ihre präferierte literarische Form.
Bloggen als Mittel des künstlerischen Austausches
Ebenfalls aus einer über den Blog geführten Korrespondenz ist die Zusammenarbeit mit einem in der Schweiz lebenden Künstler entstanden, der in der Kunstwelt stets als Paar „Rittiner & Gomez“ firmiert. Wie die Schriftstellerin Sudabeh Mohafez ihre Texte ins Netz stellt, stellt Rittiner & Gomez regelmäßig Aquarelle über sein „Logbuch der Insel“, isla volante, ins Netz. Zusammen haben sie ein Buch mit drei Microromanen und Aquarellen in der Edition AZUR herausgebracht. Einige Kapitel aus dem Buch stellt Sudabeh Mohafez vor. Begeistert erzählt die Autorin, dass dieser kleine Verlag sich immer wieder auf aberwitzige Experimente einlässt und so entsteht Literatur abseits des Mainstreams.
Sudabeh Mohafez wurde mit dem Adelbert-von-Chamisso Preis ausgezeichnet
Ihr neuestes Buch versammelt „Auftragsarbeiten“. Immer wieder, vor allem nachdem sie den renommierten Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis erhalten hatte, wurde sie angefragt, Texte über das Leben im Iran, die Verschleierung der Frau, ihre Erfahrungen mit ihrem Migrationshintergrund zu schreiben (obwohl sie Deutsche war und ist!). Viele Texte wären nie entstanden, hätte es die Aufträge nicht gegeben. Für sie war und ist das eine verlässliche Geldquelle. Mittlerweile sind ihr diese Texte, obwohl sie das Sujet nicht selber ausgesucht hätte, ans Herz gewachsen und gerne trägt sie daraus vor. Abgedruckt sind sie in dem Erzählband Behalte den Flug im Gedächtnis. Der Titel ist entnommen einem persischen Gedicht der iranischen Dichterin Forugh Farrochsad, der die iranische Lyrik des 20. Jahrhunderts viel zu verdanken hat. Die Folgezeile lautet: Der Vogel ist sterblich!
Sudabeh Mohafez erklärt nicht nur die Bedeutung der Dichterin Forugh Farrochsad sondern verrät auch, dass sie mittlerweile selber mit der Zusammenstellung eines Lyrikbandes beschäftigt ist. Einige ihrer Gedichte hat sie bereits in verschiedenen Publikationen veröffentlicht und hört man sie, so bekommt man Lust auf mehr davon. Ein Mitschnitt des Abends ist auf der Homepage des Schriftstellerhauses veröffentlicht.