Eine Woche Bergwandern im Lesachtal, in Osttirol gelegen. Ein Tal, das seine Ursprünglichkeit noch weitestgehend erhalten hat. Natürlich, es gibt Ferienwohnungen, einige wenige Hotels. So gut wie keinen Lift. Und ein Kloster in Maria Luggau. Hier waren wir für eine Woche untergebracht, um zu meditieren, zu wandern. Alles im Schweigen. Die mehrmalige Sitzmeditation am Morgen und am Abend macht still und empfänglich für alles, was in und um uns herum geschieht.
Gleichmäßiges Gehen ist das Geheimnis
Der erste Tag war schon ungewöhnlich. Statt dem Forstweg hinauf zur Samalm zu folgen, ging Christoph, der Organisator der Wanderungen, bedächtig quer über die Almwiesen. Wie aus dem Zen abgeschaut, bei dem langsames Gehen ein Teil des Übungsweges ist (Kinhin). Schritt für Schritt den Berg hinauf. (Runter übrigens im gleichen Tempo.) 27 Menschen laufen, wie auf eine Perlenschnur gefädelt, hintereinander.
Ich habe viel Zeit, im Schweigen über das, was ich sehe und erlebe, nachzudenken. Die Berge, die Herausforderung des mühseligen Auf- und Abstiegs, werfen mich auf mich zurück. Spüre meinen Körper auf ganz ungewöhnliche Art: Die Beine schmerzen. Die frische Bergluft scheint bei steilen Aufstiegen immer zu wenig zu sein. Das Klopfen des Herzens. Doch die Gemeinschaft der Gruppe trägt schon nach dem ersten Tag, obwohl oder gerade weil kein einziges Wort miteinander gesprochen wird.
Der Vergangenheit kann man nicht ausweichen
Am zweiten Tag geht es hinauf zum Obstanser See, auf 2.300 m gelegen, durch ein langgestrecktes Tal, das mit den Obstanser Boden abschließt. Hier sind noch die Unterstände zu sehen, in denen Soldaten der K&K-Monarchie Österreich gegen die heran drängenden Italiener unter großen Verlusten verteidigten. Durch den verlorenen Krieg und den Friedensschluss von Saint-Germain wurde Osttirol von Südtirol abgetrennt, Südtirol ging an Italien. Nach kurzer Trinkpause an den Unterständen geht es steil den Berg hinauf bis zum Obstanser See.
Möge der Regen ins Lesachtal kommen
Nach einer extrem anstrengenden, achtstündigen Tour am dritten Tag beten viele, dass es am kommenden Tag im Lesachtal regnen möge. Ein Tag Unterbrechung wäre gut. Aber auch am Donnerstag ging es los. Allerdings überraschte uns ein Gewitter. Um diese Naturgewalt heil zu überstehen, hockt die Gruppe sich einfach auf den Fortsweg. So finden die Blitze keine Angriffsspitzen. Wie klein ist der Mensch in dieser Welt, solche Gedanken schießen mir dabei durch den Kopf. Und Dankbarkeit spürte ich, in einer – noch gesicherten – Umwelt zu leben und darin aufgewachsen zu sein. Für einen großen Teil der Menschheit keine Selbstverständlichkeit.
Manchmal hatte ich den Eindruck, ich bin es nicht, der geht:
Ich werde eins mit allem, was ich fühle, komme beim Wandern in meine Mitte und spürte diesem Gefühl nach, wenn ich auf dem Kissen während der Meditationen sitze, still und fest verwurzelt wie ein Berg. In der Meditation komme ich zur inneren Sammlung und es spiegelt sich noch einmal der Weg, wie ich zu den Eindrücken komme, beim Schreiten und gleichzeitig im In-sich-Ruhen.
Am Ende ist es die Gruppe, die trägt
Und am Ende stand das Gefühl des Getragenseins von der Gruppe. Die Menschen, die vor und hinter mir gehen, laufen in der gleichen Spur, geben ihre Energie jeweils an den Nachfolgenden ab und kommen so gemeinsam ans Ziel, wie beschwerlich der Weg auch sein mag. Wie erstaunt waren wir, als wir am letzten Abend unser Schweigen brachen und uns von unseren Gefühlen erzählten. Wir erfuhren, dass es dem vor oder hinter einem Gehenden ähnlich ging, wie einem selber. Ich erlebte eine Geborgenheit in meinem Inneren, die nicht selbstbezogen ist, sondern die als eines unserer wichtigsten Bedürfnisse die Fürsorge und Zuwendung zu meinen Mitmenschen mit einschließt.
Und alle drückten ihre tiefe Dankbarkeit aus, diese Zeit miteinander verbringen zu dürfen unter der wunderbaren Leitung von Christoph und seiner Assistentin Petra, die zuverlässig am Ende der Gruppe lief und darauf achtete, dass niemand zurückblieb. Und die durch ihre große Klarheit die Meditationseinheiten mit strukturierte.
Wer diese Erfahrung machen will, der kann sich über die Wanderungen im Lesachtal auf der Homepage der Zengruppe Wien informieren
Lieber Michael,
ich danke dir von Herzen für diesen Beitrag. Er drückt genau das aus was ich und wahrscheinlich viele in der Gruppe erlebt haben – diese Woche war körperlich und mental eine extreme Herausforderung, aber letztendlich eine wunderbare Bereicherung. Gut, dass ich deine Bekanntschaft bei der Busstation gemacht habe und noch besser, dass sich daraus eine Freundschaft im Schweigen entwickelt hat.
Lieber Michael,
danke dir, dass du diese Erfahrungen und Gedanken hier festhältst und damit auch für andere nachvollziehbar machst. Es berührt mich auch sehr zu lesen, dass wir in vielem eine ganz ähnliche Wahrnehmung hatten, in dieser Woche im Schweigen, im Gleichtritt über Stock und Stein, bergauf, bergab, immer nur für den nächsten Schritt. …