Elsternest

Moritz Hildt saugt den Zuhörer in seine Geschichten hinein

Moritz Hild liest aus Wildnis

Moritz Hildt war am 7. April 2022 zu Gast im Schriftstellerhaus. In der Reihe Forum der Autoren las er aus seinem neuen Manuskript. Es trägt den Titel Wildnis.

Die Geschäftsführerin des Schriftstellerhauses, Astrid Braun, kann endlich wieder Gäste im Haus begrüßen, wenn es auch noch Auflagen aufgrund der Pandemie gibt. Gut zwei Jahre konnten hier keine Publikumsveranstaltungen stattfinden. Zu beengt sind die Räume im Schriftstellerhaus. Die zehn Plätze für diese , die aktuell zugelassen sind, waren schnell vergeben. Das Bier schmeckt wieder, obwohl das Haltbarkeitsdatum aufgrund der lange ausgefallenen Veranstaltungen nicht mehr ganz aktuell ist.

„Wildnis“ klammert die drei Novellen von Moritz Hildt

Der Begriff „Wildnis“ kommt in allen drei Novellen vor. Das ist aber auch das einzige, was die drei Geschichten miteinander verbindet. Schon die Handlungsorte sind grundverschieden: geht es in der ersten Novelle um die Pazifikküste im Nordwesten der USA, erzählt Moritz Hildt im zweiten Text von Salzburg. Reutlingen und Tübingen bilden den geografischen Rahmen der dritten Geschichte.

Die längsten Passagen liest Moritz Hildt an diesem Abend aus der ersten Novelle mit dem Titel Sol Duc Road. Es geht um ein etwa dreißigjähriges, deutsches Pärchen, das mit dem Wohnmobil im Nordwesten der USA unterwegs ist. Im Olympic National Park stoßen Lara und Kevin auf einen als vermisst geltenden jungen Mann, der sich ihnen eine Weile anschließt, um dann wieder spurlos zu verschwinden. Das Motiv seines Verschwindens bleibt im Unklaren. So unklar wie die Bilder, die Kevin mit seiner Digitalkamera macht. Sie scheinen nicht das wiederzugeben, was er durch den Sucher sah:

„Wenn er abends die Fotos auf dem kleinen Display durchging, hatte er in den letzten Tagen schon oft den Eindruck gehabt, dass die Bilder, die er schoss, allesamt leer blieben und ohne Bedeutung, wenn nicht Lara mit drauf war. Oder sie beide. Vielleicht war auch alles nur eine Sache des Fokus.“

Moritz Hildt erzeugt einen Sound, der den Zuhörer verzaubert

Da ist er wieder, der „Moritz-Hildt-Sound“. Damit hat er schon seinen zweiten Roman Alles zum Klingen gebracht. Seine genauen Beschreibungen, gepaart mit einem lakonischen Erzählstil, begeistern mich. Als Zuhörer werde ich unmittelbar in die Geschichte hineingezogen. Das macht Moritz Hildt virtuos. Ganz gleich, ob er das Geräusch des Autoblinkers beschreibt, das bei dem amerikanischen Fahrzeug tiefer ist als bei deutschen Autos oder wenn er über die Lachse schreibt, die flussaufwärts zu ihren Laichstellen schwimmen. Die immer wieder in die Luft springen und für einen kurzen Augenblick außerhalb des Wassers scheinbar zum Stehen kommen. Und es scheint, „als wäre der Fisch plötzlich in die Wirklichkeit hineingeschnitten worden“.

In Hunde wird aus dem Rückblick des Protagonisten erzählt

Der zweite Text, überschrieben mit Hunde, erzählt die Begegnung eines Jungen mit seinem Vater, den er in Salzburg besucht. Der Vater hat sich von der Mutter des Jungen getrennt. Als Immobilienmarkler ist der Vater nun in Salzburg tätig. Die Geschichte wird im Rückblick, viele Jahre später, aus der Perspektive des Jungen in Ichform erzählt:

„Heute frage ich mich, warum ich nicht einfach auf ihn zugegangen bin. Ich stand einfach nur da, neben dem Rollkoffer mit dem ausgezogenen Griff, ganz am äußeren Rand des Bahnsteigs.“

Vater und Sohn wollen während ihres Zusammenseins eine Wanderung in die Berge machen und geraten in eine gefährliche Situation. In dieser Geschichte steht die Wildnis eher symbolisch, für eine Form des Erwachsenenseins.

Auch Beziehungen können wild sein

Nur einen kurzen Einblick erlaubt uns Moritz Hildt – obwohl alle drei Texte mit etwa 80 Seiten gleich lang sind – in seine dritte Geschichte. In Trauf [1], so verrät uns der Autor, geht es um einen Seitensprung. Zwei Wissenschaftler, Katharina Nährlich und Simon Langer, reisen nach einem Kolloquium von Tübingen nach Reutlingen, um eine Nacht in einem romantischen Burg-Hotel zu verbringen. Welche erotischen Abenteuer sie dort erleben, können wir an diesem Abend vom vorgestellten Text nur über eine Andeutung erfahren.

Das Forum der Autoren im Schriftstellerhaus lebt vom Gespräch mit dem Autor.  Wann kann man mit dem neuen Buch rechnen, wurde Moritz Hildt gefragt. Es soll im Herbst dieses Jahres erscheinen. Das Manuskript liegt gerade beim Lektor des Verlages Duotincta. Seit seinem Debut (Nach der Parade) arbeitet Moritz Hildt mit ihm zusammen. Moritz Hildt begeistert an diesem Abend durch seine spannenden Texte und durch seine wertschätzende Freundlichkeit im Gespräch.
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[1] (Alb)trauf bezeichnet den nordwestlich ausgerichteten Steilabfall der in Baden-Württemberg und Bayern gelegenen Schwäbischen Alb. In der Geologie bezeichnet Trauf die Kante im Schneiden von Stufenhang und Stufenfläche. Quelle Wikipedia

 

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