Man denkt, Zoë Beck hätte einen Thriller zur Corona-Krise geschrieben. Fakt ist, sie hat diese Dystopie bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie beendet, erschienen ist ihr Buch Paradise City bereits im Juni 2020 im Suhrkamp Verlag. Die Idee zu diesem Buch kam ihr, als sie die marodierenden Horden in den, vor allem, ostdeutschen Städten gesehen hatte, die „Lügenpresse“ schrien und behaupten, wir hätten hier Staatsfunk, Staatsmedien und Staatsfernsehen. Andreas Baumer von der Heinrich-Böll-Stiftung sprach mit der Autorin über dieses höchst aktuelle Buch. Per Zoom-Konferenz konnten die Zuhörer an dem Gespräch und der Lesung der Autorin teilnehmen.
Zoë Beck zählt zu den wichtigsten deutschen Krimiautorinnen und hat für ihre Romane viele wichtige Preise erhalten, darunter mehrfach den Friedrich-Glauser-Preis, den Deutschen Krimipreis, den Radio-Bremen-Krimipreis und viele andere mehr. Für den Thriller Paradise City verlieh ihr die Heinrich-Böll-Stiftung Baden-Württemberg den Politikkrimipreis 2021. Diesen Preis, eine aus Metallblech geschnittene, stilisierte Arbeiterfaust, zeigte sie in der Zoom-Konferenz stolz in die Kamera.
Zum Inhalt
Deutschland, etwa 100 Jahre von heute entfernt. Durch den Klimawandel ist die Temperatur gestiegen und mit ihr der Meeresspiegel. Die Küsten sind überschwemmt, weite Teile des Landes sind entvölkert, und die Natur erobert sich verlassene Ortschaften zurück. Berlin ist nur noch eine Kulisse für Touristen. Regierungssitz ist Frankfurt, das mit dem gesamten Rhein-Main-Gebiet zu einer einzigen Megacity verschmolzen ist. Dort, wo es eine Infrastruktur gibt, funktioniert sie einwandfrei. Nahezu das gesamte Leben wird von Algorithmen gesteuert. Allen geht es gut – solange sie keine Fragen stellen.
Durch mehrere Pandemien ist die Bevölkerung insgesamt geschrumpft, aber mittlerweile ist das Gesundheitssystem gut entwickelt und die Infrastruktur (zumindest in den Megacitys) gut ausgebaut. Der Staat überwacht die Menschen mit Kameras und implantierten Gesundheits-Chips und erreicht dadurch einen sehr hohen Gesundheitsstatus bei seiner Bevölkerung. Dass Daten auch gehandelt werden, ist ein offenes Geheimnis und kaum jemand regt sich wirklich mehr darüber auf. Die Leute haben eine 20 Stundenwoche, von der sie gut leben können, der Individualverkehr existiert nicht mehr.
Liina arbeitet für eine unabhängige Fakten-Check-Agentur. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist abgeschafft. Informationen werden von „Wahrheitsmedien“ des Staats verbreitet. Wie die anderen Journalisten auch, tut sie das heimlich und hat deshalb einige Tarnidentitäten. Ihr Chef schickt sie allerdings zu einem sehr langweiligen Fall, angeblich wurde eine Frau in der Uckermark von Schakalen getötet. Durch den Klimawandel sind diese Tiere durchaus in Europa heimisch geworden, fallen aber in der Regel keine Menschen an. Irgend etwas scheint hier nicht zu stimmen, aber eine große Story vermutet Liina nicht dahinter. Wieder in Frankfurt erfährt sie, dass ihr Chef einen Unfall hatte. Sie ist geschockt und versucht herauszufinden, was passiert ist. Nach und nach erfährt man mehr aus Liinas Vergangenheit und sie kommt natürlich einer Verschwörung auf die Spur.
Den Vermarktungsstrategien der Verlage auf der Spur
Im Gespräch mit Andreas Baumer und mit einigen Lesepassagen wird der Charakter dieses ungewöhnlichen Thrillers den Zuschauern nahe gebracht. Wobei sich die Frage stellt, ob es ein Thriller oder ein Science-Fiction-Roman ist. Der Suhrkamp Verlag hat Thriller auf das Cover geschrieben. Das, so Zoë Beck, ist notwendig in der Vermarktungsstrategie der Verlage. Eine Sparte muss angeben werden, auch, damit die Buchhandlungen den Roman auf einen bestimmten Stapel legen können. Krimis und Thriller verkaufen sich sehr gut. Zudem ist eine Frau als Science-Fiction-Autorin nicht sehr angesehen in der Branche. „Frauen schreiben keine SF-Literatur“, meinte Zoë Beck schulterzuckend. Sie könnte sich auch vorstellen, dass einfach nur Roman auf dem Einband stünde. Aber als „Sparten-Schriftstellerin“ gesteht man ihr das offensichtlich nicht zu. In der eineinhalbstündigen Zoom-Konferenz haben die Zuschauer also nicht nur einen spannenden Krimi vorgestellt bekommen, sondern auch über dessen Entstehung und über Vermarktungsmechanismen der Verlage etwas erfahren.
Paradise City
Thriller, 280 Seiten Klappenbroschur (mittlerweile auch als Taschenbuch erhältlich)
Suhrkamp Verlag, Preis 16,00 € (10,00 €)
zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens