Elsternest

Putin – Vielleicht bleibt nur die Poesie als Rettungsanker

Lyrik gegen Putin

Seit Wochen lag die Drohung von Putin in der Luft, die Ukraine anzugreifen. Verbal hatte Wladimir Putin das immer abgestritten, hatte den massiven Aufmarsch von weit über hunderttausend Soldaten als eine Truppenübung ausgegeben. Mehr nicht. Doch in Wirklichkeit hat er einen Angriffskrieg auf einen souveränen Staat vorbereitet.

Das Drehbuch war lange bekannt

Die amerikanischen Geheimdienste hatten schon vor langem sein Drehbuch veröffentlicht. Leider ist in der linken Öffentlichkeit hierzulande das Vorurteil verankert, sie würden mit Lügen die Bevölkerung täuschen (was sie auch gemacht haben, im Irak-Krieg). Der latente Antiamerikanismus hat in dieser Situation leider die Hirne vieler vernebelt, sodass sie an eine reale Bedrohung nicht glauben wollten.

Wladimir Putin setzt auf Propaganda

Putin hat über Jahre mit allen propagandistischen Mitteln versucht, demokratische Bewegungen in den osteuropäischen Ländern zu diskreditieren. Er sprach wiederholt von faschistischen Kräften, die am Werk seien. Warum wurde das nicht als blanke Propaganda in linken Kreisen begriffen?

Als ich am Sonntag Sahra Wagenknecht bei Anne Will sah, glaubte ich mich in einer Posse. Die Publizistin Constanze Stelzenmüller hat die Positionen von Warenknecht sehr eloquent und kenntnisreich auseinander genommen und ihre Absurditäten klar benannt. Über Jahre hinweg wurde dem Antiamerikanismus das Wort geredet und die kriegerischen Handlungen von Russland wurden übersehen (Krieg in Georgien, Tadschikistan, Tschetschenien, Afghanistan, Kaukasus, Kasachstan) oder unter den Teppich gekehrt. Hätte man sich die Liste der von Russland geführten Kriege und Kriegshandlungen kritisch angeschaut, wäre man heute nicht über den neuerlichen Militäreinsatz erstaunt.

Linke Gruppierungen lange fest an der Seite Russlands

Mittlerweile positionierte sich die Partei „Die Linke“ gegen die Aggressionen des russischen Despoten, der das Völkerrecht und die Selbstbestimmung der Völker mit Füßen tritt. Mit dem Verweis darauf, dass sie eine „Völkerrechtspartei“ seien. Das ist lobenswert. Auch hat Sahra Wagenknecht mittlerweile vor dem Hintergrund des ausgebrochenen Ukraine-Kriegs eingestanden, sich in ihrer Einschätzung des russischen Präsidenten Wladimir Putin geirrt zu haben.

Lange Zeit herrschte ein Geraune über die Rolle der NATO und der Medien

Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine verstummt hoffentlich das Geraune, die NATO und in ihrem Schlepptau die Öffentlich-Rechtlichen hätten ihre Hände im Spiel und würden den Krieg herbeischreiben, wie es noch Tage vor dem Überfall durch linke Friedensbündnisse in Flugblättern, Zeitschriften und in Redebeiträgen verbreitet wurde.

(Aktualisierung 26.02.22: Auf einer spontanen Demonstration der Tübinger Gruppierung um Henning Zierock, Kultur des Friedens, auf dem Stuttgarter Karlsplatz redete die Linken-Politikerin Heike Hänsel. Immerhin bis 2021 Bundestagsabgeordnete und zuletzt stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion. Nach einer scharfen Verurteilung des Einmarsches der Russen in die Ukraine nutzte sie zwei Drittel ihres Redebeitrages, die Politik der NATO zu attackieren.)

Ich muss in letzter Zeit oft an Diskussionen mit meinem Vater denken, der ein tiefes Misstrauen gegen „die Russen“ hegte, saß er doch als ehemaliger Wehrmachtssoldat lange in russischer Kriegsgefangenschaft. Mit „Russen“ meinte er eher die menschenverachtenden Umtriebe des Stalinismus und seiner Führungsclique. Dann kam mit der Politik von Willy Brandt die Idee auf, eine Wandlung durch Annäherung zu erreichen. Dass sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einige Jahre später wieder ein despotischer Autokrat im Kreml sitzen würde, der seine politischen Gegner ins Gefängnis sperrt oder gleich vergiftet, hätten sich diese aufrechten Politiker nicht träumen lassen. Putin hat einen repressiven Staatsapparat erschaffen, der jeden Protest sofort im Keim erstickt. Es reicht schon links, LGBTQ, Kriegsgegner oder kritischer Journalist zu sein, um die staatliche Repression zu erfahren.

Schmerzhafte Abschiede

Viele Ideen, die ich aufgrund meiner linken Sozialisation hatte, zerbrachen mit den Jahren, als ich Zusehends erkannte, dass es den Herrschenden, egal welcher politischen Richtung, nicht um die Menschen geht, sondern um ihren Machterhalt. Dieser Erkenntnisprozess ist sehr schmerzhaft für mich und hatte sich auch manifestiert an dem Untergang linker Ideale in Staaten der dritten Welt wie Kuba, El Salvador, Nicaragua, Venezuela etc. Was heute der neue russische Zar im Kreml an imperialen Machtstreben an den Tag legt, ist nur schwer auszuhalten.

Hilft die Poesie?

Was bleibt in diesen Zeiten? Vielleicht die Poesie. Der ukrainische Dichter Serhij Zhadan schreibt in seinem Buch Warum ich nicht im Netz bin:

Wir bleiben zusammen, Lebendige, Tote,
bis zum Hals stehen wir in den Halmen, den hohen,
wir stehen an des nächtlichen Flusses Rand,
zünden Licht in den alten Leuchttürmen an.
Nur Heuschrecken kommen zum Licht geflogen
Die Nacht ist tief. Und ohne Boden

Ich hoffe, dass die Nacht nicht tief und nicht ohne Boden ist.

Serhij Zhedan Lyrik auch zu PutinWarum ich nicht im Netz bin
Gedichte und Prosa aus dem Krieg
Broschur, 180 Seiten
edition suhrkamp, Preis 16,00 €

zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens

 

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2 Kommentare

  1. Hallo,
    ich habe ein Gedicht für Putin geschrieben und ein Video daraus gemacht, gleich an den ersten Tagen des Krieges.
    Inzwischen erscheint es mir viel zu freundlich, und ich habe meinen naiven Glauben, dass ich Putin damit evtl. zur Besinnung bringen könnte, fast verloren.
    Aber ich wünsche mir trotzdem noch, dass er mein Gedicht-Video sieht, bzw. hört.
    Falls Du Dich dafür interessierst (oder sonst jemand, der das hier liest), füge ich mal den Link an: https://youtu.be/jibkFpT5RD8
    Ich denke, mein Video hat nur dann eine Chance, in den Fokus von Wladimir Putin zu gelangen, wenn es sehr viele Leute anklicken.
    Aber selbst wenn er es sieht (hört) … vermutlich ist seine Weltsicht so anders (als ich es mir vorstellen kann), dass auch mein Gedicht ihn nicht dazu bewegen kann, diesen schrecklichen Krieg zu beenden.
    Aber ’ne winzige Rest-Hoffnung habe ich noch.
    Danke für’s Lesen meines Kommentars, beste Wünsche für Dich (und alle, die das hier lesen)
    sowie herzliche Grüße
    von Freya

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