Elsternest

Sant’Anna di Stazzema – Gedenken an ein Massaker der SS

Spätromantisch disponierte Orgel der Gaisburger Kirche
Hauptwerk und Schwellwerk der dreiteiligen, ursprünglich rein spätromantisch disponierte Orgel aus dem Jahre 1913 in der Gaisburger Kirche. Foto: © Eberhard Frasch

 

Am diesjährigen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus (27. Januar) lud die Initiative Sant’Anna der AnStifter zu einer Benefizveranstaltung für den Orgelbau in Sant’Anna di Stazzema ein. Die im Jugendstil gebaute Gaisburger Kirche bot mit seiner dreiteiligen Orgel den passenden Raum für die Orgelstücke der beiden Orgelmusikstudenten Carolin Kaiser und Jonathan Ferber. Sie spielten auf diesem – in der süddeutschen Orgellandschaft einzigartigen Instrument – Werke von Samuel Wesley, Franz Schubert, Orgelfantasien mit Fuge von Filitz und natürlich bekannte Orgelwerke von Johann Sebastian Bach. Auf musikalisch hohem Niveau brachten die beiden die Stücke sowohl solistisch als auch vierhändig zu Gehör. Sie setzten mit ihrem virtuosen Spiel einen Kontrapunkt zu den Wortbeiträgen des Abends:

Enio Mancinis Erinnerungen werden erfahrbar

Foto: © Eberhard Frasch
Foto: © Eberhard Frasch

Ich las aus den Erinnerungen von Enio Mancini. Er erlebte als sechsjähriger Junge das SS-Massaker Jahr 1944 in seinem Dorf und überlebte wie durch ein Wunder. 560 Menschen fielen in Sant’Anna di Stazzema an einem Tag dem Terror der deutschen Soldaten zum Opfer, vor allem Frauen und Kinder. Die Lesung teilte sich in vier Abschnitte. Ich las über die dörfliche Situation und die Lebensumstände der Menschen vor dem Überfall der deutschen Truppen. Die schwierige Situation im Krieg beschreibt Enio Mancini eindrücklich: Die armen Dorfbewohner hatten Flüchtlinge in ihrem Dorf aufgenommen. Selbstlos teilten sie ihre wenigen, teils durch Subsistenz, erwirtschafteten Güter. Die Kinder, so beschreibt Enio es, nahmen die Flüchtlingskinder in ihre Spiele mit auf und freuten sich über die neuen Spielkameraden.

Im zweiten Teil meiner Lesung wurde das grausame Massaker aus den Erinnerungen des Kindes Enio beschrieben. Der dritte Teil beschrieb das schwierige Überleben in der Umgebung des Dorfes nach dem Massaker. Das Grauen, das sich den vom Hunger gezeichneten Überlebenden bei der Rückkehr in ihr Dorf auftat. Nachdem die Amerikaner das Gebiet erobert hatte, konnten die Überlebenden anfangen, ihre Toten zu beerdigen.

Die Menschen in Sant’Anna di Stazzema hofften auf Gerechtigkeit von Seiten der deutschen Justiz

Im vierten Teil ging es dann um die Gerechtigkeit. Enio Mancini beschreibt den Versuch, die Grausamkeiten der deutschen Armee juristisch aufzuarbeiten, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, in Italien als auch in Deutschland. Gerechtigkeit haben die Menschen in Sant’Anna di Stazzema nie von der deutschen Justiz erfahren. Hier spielte vor allem die Stuttgarter Staatsanwaltschaft unter Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler eine unrühmliche Rolle, indem sie den Prozess gegen die überlebenden Täter nie eröffnete und auf eine „biologische“ Lösung setzte.
Der vierte Teil beschreibt aber auch die Aktivitäten und Initiativen um das Friedenswerk und die Erinnerungskultur, die von den italienischen Bewohnern und deutschen Bürgern in die Tat umgesetzt wurden. Die Friedensorgel von einer deutschen Initiative um das Ehepaar Westermann aus Essen gespendet, ist da ein erfahrbarer Bestandteil. Die an diesem Abend von der AnStifterinitiative Sant’Anna gesammelten Spenden sollen eine Erweiterung der Orgel finanzieren.

Anette Wanners Zwischentexte führten die Zuhörer immer wieder nach den Orgelstücken behutsam auf die Textpassagen von Enio Mancini hin.

In Sant’Anna di Stazzema gehen die Bemühungen um Versöhnung weiter

Am letzten Januarwochenende ist eine Delegation der AnStifter nach Sant’Anna di Stazzema gefahren, um mit den italienischen Freunden den restaurierten Kirchplatz feierlich einzuweihen. Mit 30.000 € hat die Landesregierung von Baden-Württemberg einen finanziellen Beitrag dazu geleistet und ist mit einem Vertreter der Landesregierung bei den Einweihungsfeierlichkeiten anwesend.

Die von mir gelesenen Passagen entnahm ich folgendem Buch:

Enio Mancini aus Sant’Anna di Stazzema
Enio Mancini aus Sant’Anna di Stazzema
Foto: © Fritz Mielert

Das Massaker von Sant’Anna di Stazzema
Herausgegeben von Gabriele Heinecke, Christiane Kohl und Maren Westermann
Mit den Erinnerungen von Enio Mancini

Hardcover mit Schutzumschlag, 144 Seiten
Laika-Verlag, Preis: 19 €
zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens

Weitere Informationen auf der Webseite der AnStifterinitiative

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