Heute erfuhr ich von einem professionellen Medienbeobachter, dass siebzehn Autorinnen und Autoren der linken Monatszeitung KONKRET ihre Zusammenarbeit mit dem Blatt beenden. Ihren Schritt haben sie auf einer eigens für diese Veröffentlichung gegründeten Web-Seite veröffentlicht. Der Grund für diesen Schritt: die Berichterstattung zum Ukraine-Krieg, den Russland gegen das Land führt. Die März-Ausgabe der Zeitschrift machte mit der Überschrift „Go east“ auf. Das Cover des Märzheftes: sprachlich wie ikonisch ein Tiefpunkt.
Die Drucklegung erfolgte kurz vor dem Beginn des Angriffskrieges von Putins gegen seinen Nachbarn. Aber anstatt innezuhalten und sich mit der aktuellen Situation vertraut zu machen, rechtfertigte die Redaktion auf ihrem Twitter-Account ihre Kritik an der Nato, die sie für den eigentlichen Verursacher dieser militärischen Intervention ansieht, in einem vierteiligen Tweet bekräftigt:
Kaum ist die aktuelle Ausgabe ausgeliefert, beginnt #Russland einen Krieg gegen die #Ukraine. Allen Spekulationen zum Trotz: So war das mit dem Kreml nicht abgesprochen.
Die Titelgeschichte der März-Ausgabe, in der Jörg Kronauer die Osterweiterung der Nato und die Intensivierung ihrer militärischen Aktivitäten in unmittelbarer Nähe zur russischen Grenze beschreibt, verliert in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen nicht an Gehalt und Wahrheit.
Und weder hegt konkret Verständnis für Moskaus machtpolitische Ambitionen und den russischen Vorstoß, die »Wladimir-Iljitsch-Lenin-Ukraine« (Wladimir #Putin) zu zerschlagen, noch ist von dieser Zeitschrift ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Weltordnung des Westens zu erwarten, der seine große Liebe zum Frieden immer dann entdeckt, wenn er selbst gerade keinen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen hat.
Keinerlei Selbstkritik angesichts einer ideologisch begründeteten Fehleinschätzung
Also keinerlei Selbstkritik. Kein Selbstreflektion, keine Entschuldigung für die absolute Fehleinschätzung, die sich aus dem Hass des Westens dieser Zeitschrift ergibt. Für die siebzehn Autorinnen und Autoren, die alle jahrelang für das Blatt geschrieben haben, wurde damit eine rote Linie übertreten. Diese Ausrichtung des Blattes in Bezug auf die Ukraine wurde auch in den folgenden Ausgaben nicht revidiert. Nun zogen diese Autoren für sich die Reißleine. Das taten sie mit teils drastischen Worten:
„Wir wollen und können nicht weiter in einer Zeitschrift publizieren, die sich in dieser Frage in die Nachbarschaft der AfD, des völkischen Flügels der Linkspartei oder Jürgen Elsässers Compact, von Henry Kissinger, Klaus von Dohnanyi oder den Lobbyverbänden der deutschen Industrie begibt.“
Obwohl in den folgenden Ausgaben der KONKRET sich Texte oft teils „pflichtschuldig“ von dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg distanzieren, meinen die Autorinnen und Autoren, die Grundtendenz der Berichterstattung sei überdeutlich prorussisch und „wer eine Haltung gegen den Westen zum einzigen Entscheidungskriterium mache, könne sich wohl jede Unverschämtheit herausnehmen und jede Barbarei zum Widerstandsakt verklären“, so ihre Einschätzung.
Zunehmende Hähme, billige Polemik und schale Sprache
Ich habe immer mal wieder Ausgaben der KONKRET gelesen, war aber zunehmend nicht nur angesichts der Berichterstattung zum Krieg Russlands gegen sein Nachbarland abgestoßen. In der KONKRET wurde in den letzten Jahren das Reflexionsniveau zugunsten von Häme und billiger Polemik aufgegeben, die Sprache wurde zusehends schal. Somit kann ich den Schritt der siebzehn Autorinnen und Autoren gut nachvollziehen.