Elsternest

Ukraine – Breites Bündnis demonstriert gegen den Krieg

Ukraine
Was kann die Wunden des Krieges heilen?

Es ist ein friedlicher, sonniger Tag, der zum Spaziergang einlädt. In der Natur sein, das warme Frühlingswetter genießen. Viele Tausend Menschen lassen allerdings den Sonntagsspaziergang ausfallen und versammeln sich vor dem Schauspielhaus im Oberen Schlossgarten in Stuttgart. Der Krieg, mit dem Putin das Nachbarland Ukraine vor siebzehn Tagen überfallen hat, beunruhigt die Menschen. Sie drücken ihren Unmut über diesen barbarischen Akt des Mannes aus, der wie ein Wiedergänger Stalins in diesen Tagen erscheint.

Kann Putin den Krieg gewinnen?

Eine schlecht ausgerüstete Armee wird von ihm verheizt. Seine Soldaten wurden über die Ziele dieses Krieges im Unklaren gelassen. Die Opposition in Russland, obwohl schwach, wird von Polizei und Sicherheitskräften brutal unterdrückt. All das ist aus finsteren Zeiten des stalinistischen Terrors bekannt. Vor Jahren war es noch undenkbar, dass ein Herrscher im modernen Europa sich in diesen modernen Zeiten dazu aufschwingt, einen brutalen Angriffskrieg zu führen.

Demonstration im Schlossgarten Stuttgart: Solidarität mit der Ukraine

Die Prioritäten haben sich durch den Krieg beängstigend verschoben

Bis vor wenigen Wochen fragten sich die Ukrainer in Kiew und anderen, sehr europäischen Städten, wo sie ein neues iPhone herbekommen können. Nun fragen sie in den Großstädten nach einem sicheren Platz vor russischen Raketen in einer der vielen U-Bahn-Stationen. So drückt es die junge Ukrainerin Julia Melnyk aus, die seit vielen Jahren als Krankenschwester und Fotografin in Stuttgart lebt. Sie stammt aus der Kleinstadt Cherson, 200 km östlich von Odessa. Der Krieg hat sich noch brutaler in ihren Alltag gedrängt als er es bei uns Deutschen tut. Sie bangt um ihre Verwandtschaft in der Heimat. Spontan hat sie mit anderen eine Hilfsorganisation ins Leben gerufen: Wolja. Das bedeutet Freiheit. Sie helfen Geflüchteten, die in immer größerer Zahl über die ukrainische Grenze fliehen. In der überwiegenden Zahl Frauen mit ihren Kindern. Ihre Männer, so sie über 18 Jahre sind und unter 60 Jahre alt sind, wurden zur Verteidigung zu den Waffen gerufen und dürfen die Grenzen nicht überschreiten.

Wenn das Herz spürbar wird, wird die Rede kraftvoll

Ihr Zeugnis und die Rede der jungen Russin Katja Zakharova sind die beeindruckendsten an diesem Nachmittag. Sie schlagen die die Zuhörer auf dem Rasen vor der mobilen Bühne förmlich in den Bann. Katja berichtet über die engen Beziehungen zwischen Russen und Ukrainern. Es gibt mannigfaltige, familiäre Beziehung zwischen den Bewohnern beider Staaten, die bis zum Zerfall der Union der „Sozialistischen“ Sowjetrepubliken in einer Staatengemeinschaft gelebt haben. So wie die baltischen Staaten, hat auch die unabhängig gewordene Ukraine eine Hinwendung zur westlichen Demokratie vollzogen. Spät, doch sehr entschlossen. Ein langer, steiniger Weg, der nun von dem Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, für beendet erklärt wurde.

Ein perfides Narrativ orchestriert den Überfall

Mit einer unglaublich perfiden Erzählung hat der den Krieg begonnen. Er wolle die Ukraine vom Faschismus befreien. Die Menschen in Russland sehen ihre Verwandten in der Ukraine mit ganz anderen Augen. Viele haben, so berichtet Katja, Großeltern, Onkel, Tanten, die jenseits der russischen Grenze leben.

„Angesichts des Todes ist alles lächerlich“ zitiert die junge Frau den österreichischen Schriftsteller und Dramatiker Thomas Bernhard. Ihre Rede bekommt von den ukrainischen Demonstranten großen Zuspruch. Es sei die stärkste Rede, rufen sie in Richtung der Bühne, die blau-gelbe Fahne ihrer Heimat schwenkend.

Deutlich schwächer fallen die Reden der deutschen Organisatoren aus. Aber ist das verwunderlich? Wir können als Deutsche die Situation nur analysieren, interpretieren und Forderungen stellen. Das Herz sprechen lassen können nur die, die unmittelbar durch diesen Krieg betroffen sind.

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Ein Kommentar

  1. Richtig; „das Herz sprechen lassen“ haben die genannten Frauen aus der Ukraine und Russland. Die Reaktion von uns allen sollte aber außerdem (nicht nur!) vom Verstand geleitet werden. Jürgen Grässlin betonte, dass die militärische Reaktion keine Perspektive auf weniger Tod und Leid bietet – im Gegenteil. Alle wissen das – Stichworte Irak, Afghanistan, Libyen genügen. Grässlin wies auf die Möglichkeit und Wirkungsmächtigkeit von nichtmilitärischem Widerstand hin, im Prinzip Nicht-Kooperation mit dem Besatzer (die Besatzung selbst ist nichtmilitärisch freilich nicht zu verhindern). Dafür gibt es einen Namen und reichlich Literatur: Soziale Verteidigung.
    Mein Plakat hatte den Text:

    RÜCKZUG DER RUSSISCHEN ARMEE
    RÜCKBAU DER NATO-OSTERWEITERUNG
    ——————————————————————
    DESERTEURE ALLER LÄNDER WILLKOMMEN!

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