Elsternest

Ulrike Draesner und Barbara Yelin – ein Werkstattgespräch

Ulrike Draesner im Werkstattgespräch mit Barbara Yelin

Zusammen mit der Bundeszentrale für politische Bildung lud das Literaturhaus Stuttgart an vier langen Abenden von Mai –September und zu einem Festivalwochenende im November zu LOSGESAGT! Ein Festival der Sprache ein. Es wurde über Grammatik, Wörter, Sätze, Töne und Schattierungen und ihre Wirkung gesprochen und über Sprachlandschaften nachgedacht. Themen wie Rassismus, Gender und Kolonialismus, über Sprech- und Schreibweisen der Gewalt und über Kommunikation und Social Media standen „auf dem Podium“.

Am 20. und 21. November fand nun die Abschlussveranstaltung in Form eines Festivals statt, mit vielen bekannten Autorinnen und Autoren und lebhaften Diskussionen.

Corona behindert das Festival der Sprache

Leider funkte auch dieser Veranstaltung die aktuelle Coronalage dazwischen. Von den vier am Freitag angekündigten Veranstaltungen fanden drei rein digital statt. Die Lesung und musikalische Darbietung von PeterLicht fand live statt.

Schon lange hegte ich den Wunsch, die Lyrikerin und Romanautorin Ulrike Draesner live zu erleben. Leider war dies eine der drei rein digital durchgeführten Veranstaltungen. Trotzdem eine spannende Diskussion zwischen den beiden zugeschalteten Künstlerinnen Ulrike Draesner und Barbara Yelin, die Einblick in ihr gemeinsames Schafften bot. Beide arbeiten seit geraumer Zeit zusammen. Barbara Yelin ist Comiczeichnerin. Sie illustriert den Text von Ulrike Draesner, der im Winter 2022/23 als Buch und als Ausstellung erscheinen soll. Das Buch wird Teil der Trilogie von Ulrike Draesner über Flucht, Krieg und Vertreibung sein.

Ulrike Draesner arbeitet beim letzten Band ihrer Trilogie mit Barbara Yelin zusammen

Mit Sprünge vom Rand der Welt legte sie 2014 den ersten Teil vor. Darin erzählt sie die Lebensgeschichte des Kriegskindes und Affenforschers Eustachius Grolmann, geboren 1930 in Schlesien, der im Januar 1945 mit seinen Eltern und seinem behinderten Bruder Emil durch den Breslauer Winterwald gen Westen floh.

Der zweite Band der Trilogie, Schwitters, ist einem fremden Leben im Exil gewidmet. Kurt Schwitters, Maler, Dichter, Raumkünstler und Werbegrafiker, wird dem Dadaismus und Konstruktivismus zugerechnet. Schwitters musste im Januar 1937 seinen Geburts- und Wohnort Hannover verlassen, weil die Nationalsozialisten seine Kunst als „entartet“ diffamierten und sein Leben bedrohten.

Auch für ihr aktuelles Werk reiste Ulrike Draesner zur Recherche wieder nach Polen. Es soll um Mütter und Töchter gehen, um die Gewalt, die den Müttern in den letzten Kriegsjahren zugefügt wurde und ihre Weitergabe dieser Erfahrungen an die Töchter. Schlesische Frauen, die nach dem Krieg in Polen geblieben waren, erzählten Ulrike Draesner intime Details aus ihrem Leben. Sie öffneten sich der Schriftstellerin erst, als männlicher Dolmetscher den Raum verlassen hatte. Dann fanden sie die Worte, um über erfahrenes Leid zu sprechen. Sie erzählten z. B. von den Vergewaltigungen durch sowjetische Soldaten, die „zur Befreiung“ gekommen waren. Die Lebensborn-Einrichtungen der Nazis werden ebenso in dem in Arbeit befindlichen Roman zur Sprache kommen.

Die Comiczeichnerin Barbara Yelin war von dem Stoff sehr angetan und so arbeitete sie mit ihren künstlerischen Mitteln an dem Buch über physische, verbale und psychische Gewalt gegen Frauen mit. Gemeinsam umkreisen die beiden in Text und Bild das Thema und durchleben eine „Schaukelfunktion“ bei der sie sich gegenseitig bei dem Projekt voranbringen.

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