Elsternest

Was machte die AfD so stark?

Die AfD wird von der Rosa Luxemburg Stiftung untersucht
Sebastian Friedrich und Erhard Korn

 

Eine Einschätzung der Politik und des Phänomens des Zuwachses der AfD versuchte am 23. März Sebastian Friedrich. Der Journalist kam auf Einladung der Rosa- Luxemburg-Stiftung nach Stuttgart und fand einen bis auf den letzten Platz gefüllten Saal im Bildungszentrum der Stiftung vor.

Erhard Korn vom Vorstand des Forums für politische Bildung und Kultur e.V. legte zu Beginn der Veranstaltung dar, dass in Baden-Württemberg eine klerikale, konservativer Bewegung die AfD unterstützt. Evangelikale Kirchkreisen sind teils völlig abgekoppelt von der Gesellschaft. Sie lehnen z. B. Kasperletheater an den Schulen ab, weil dort der Teufel in Form einer Handpuppe auftritt und sprechen sich gegen die Fastnacht aus, weil Hexen positiv dargestellt würden.

Sebastian Friedrich legte zu Beginn dar, wie die AfD rechtskonservatives Potential abgreift: in Baden-Württemberg die Kritiker des neuen Bildungsplans. Ihnen geling es mit Unterstützung der CDU 4.000 – 5.000 Teilnehmer zu mobilisieren. Die AfD scheut auch den Schulterschluss mit ultrarechten Bewegungen wie der Ludendorff-Bewegung nicht. Diese Bewegung spricht von den göttlichnahen Licht- und den unvollkommenen und sündhaften Schachtrassen.

Auf dem Parteitag im Juni 2015 setzten sich der rechte Flügel der AfD gegen Bernd Lucke durch. Wie konnte sich eine rechtskonservative Partei in so kurzer Zeit etablieren? Das hängt mit verschiedenen gesellschaftlichen Krisen zusammen.

Die Krise des Rechtskonservatismus

Die Modernisierung der Gesellschaft wurde getragen vom Bürgertum und wurde von ihm vorangetrieben. So wurde z. B. der Paragraf 175 (Homosexualität) 1994 entgültig abgeschafft. Die Vergewaltigung in der Ehe ist seit 1997 strafbar. Seit 10 – 15 Jahren hat auch die konservative CDU die Modernisierung mitgemacht und getragen. Das, obwohl 25% der Bevölkerung dem rechtskonservativen Milieu zugerechnet werden kann, die früher die CDU gewählt haben.

Die Krise der Demokratie

Die Wahlbeteiligung ist in den letzten 10 – 15 Jahren kontinuierlich gesunken. Wirtschaftslobbyisten nehmen immer stärkeren Einfluss auf den Politikbetrieb. Zudem gibt es ein Demokratiedefizit in Europa, das sich in der Abkopplung des Wahlvolkes von „denen da oben (Politikerkaste)“ ausdrückt. Es ist ein reaktionäres, postdemokratisches Unbehagen in weiten Teilen der Nichtwähler festzustellen.

Kapitalinterne Krise

Die Eurokrise hat die internen Widersprüche der „Kapitalfraktion“ zutage treten lassen. Die exportorientierte Kapitalfraktion versprach sich Vorteile von der Eurorettung und dem Europäischen Projekt, die eher kleinen Familienunternehmen sahen darin eine Bedrohung ihrer Existienz. Die AfD konnte gerade bei Vertretern dieser zweiten Fraktion Fuß fassen.

In der sozialen Krise wachsen soziale Spannungen

Die Vermögensungleichheit ist in den letzten 15 Jahren massiv gestiegen. Die Mittelschicht schrumpft zunehmend, prekäre Beschäftigungsverhältnisse nehmen zu. Auch in Bereichen der Mittelschicht, z. B. im Hochschulbereich werden diese unsicheren Beschäftigungsverhältnisse ausgeweitet. Modelle reaktionärer Krisenbewältigung nehmen zu.

AfD: Ein rechtes Projekt wird etabliert

Rechte Medien unterstützten von Anfang an die AfD, zunehmend aber nachdem der wirtschaftsliberale Flügel um Bernd Lucke aus der Partei gedrängt wurde. Die „Junge Freiheit“ hat in den letzten Jahren eine Auflagensteigerung erlebt, aber auch ein Magazin wie Compact gewinnt zunehmend an Einfluss. Auf Facebook werden rechte Postings von vielen Leuten geteilt. Ehemals konservative Sozialdemokraten rücken weit ins rechte Gedankengut ab. Tilo Sarazin hat eine Debatte um Einwanderer losgetreten, Peter Sloterdijk entpuppt sich als Reaktionär und Ressentimentlieferant. „Denkfabriken“ der neuen Rechten wie das Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek sind Organisations- und Aktionsplattform für neurechte Bildungsarbeit.

Die AfD als rechtes Element ist Ausdruck und Motor des rechten Projektes und dient als „Versuchslabor“. Die Gründung erfolgte 2013. In der ersten Zeit (Januar bis September 2013) überwiegten euroskeptische Themen. Danach setzte eine Rechtsentwicklung ein, die mit der Ablösung von Bernd Lucke auf dem Parteitag in Essen im Juli 2015 endgültig für die rechten Flügel entschieden wurde: dem von Frauke Petri vertretenen eher rechtpopulistischen Flügel und einem Flügel, vertreten von Björn Höcke, der offen völkische Ideen vertritt.

Aus den letzten drei Landtagswahlen im März geht die AfD gestärkt hervor und es wird deutlich, woher ihre Wähler kommen: Sie sind überwiegend männliche, über 45jährige, die die AfD wählen, der Anteil der Wähler verteilt sich auf 60% Männer und 40% Frauen und die AfD konnte viele Nichtwähler für sich mobilisieren. 30% der Wähler sind Arbeiter und Arbeitslose. Das Ergebnis der Wahlen zeigt, dass sich das Projekt rechts von der Union etabliert hat. Ende April 2016 wird es in den Messehallen Stuttgart den Bundesparteitag geben, bei dem das Parteiprogramm diskutiert und verabschiedet werden soll. Ein breites Bündnis aus der Zivilgesellschaft mobilisiert bereits heute zu Gegenveranstaltungen dazu.

Freundlicherweise wurde der Vortrag von Sebastian Friedrich aus einer anderen Veranstaltung zur AfD auf Soundcloud veröffentlicht und kann hier nachgehört werden.

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