Die Reihe „3durch3“ lädt die „crème de la crème“ der internationalen Sprachkunst ein. Sie wird von der Stadtbibliothek Stuttgart sowie dem Kunsttempel und der Stiftung Brückner-Kühner in Kassel veranstaltet. Jeweils drei Sprachkünstler aus verschiedenen Ländern und Generationen kommen zu einem gemeinsamen Abend zusammen.
Am 16.07.2015 machen sie sich in der Stadtbibliothek Stuttgart auf, um in den Innenraum der Sprache zu gelangen. Erkunden die weißen Flecken auf der Landkarte der Poesie. An diesem Abend sind die Besten der Szene, Bas Böttcher, Nora Gomringer und Dalibor Markovic, unterwegs im Boombastic Lyrikwunderland.
3durch3: Sprache für die Jugend
Nora Gomringer hat gerade den Ingeborg Bachmann-Preis gewonnen, zu dem ihr Friedrich Block, Leiter der Stiftung Brückner-Kühner, gratuliert. Er führt in den Abend ein und nennt drei wichtige Elemente der Poetry Slam Szene: Radikalität, Performance (im Sinne von Durchdringung der Bereiche Bühne, Sprache, Wortkunst) und nicht zuletzt Humor. Poetry Slam hat die gesprochene Literatur entscheidend in den zurückliegenden zwanzig Jahren vor allem für die Jugend geöffnet.
Und dann legen die drei Künstler los, zeigen die vielfältigen Möglichkeiten poetischer Sprachgestaltung auf, changieren zwischen experimentell, spielerisch, kritisch und würzen immer wieder mit einer großen Portion Humor. Gemeinsam haben sie mehrfach Veranstaltungen bestritten, sie können sich ganz aufeinander verlassen, geben sich gegenseitig Stichworte und gehen mit ihren Texten auf den Vorredner ein. Poetry Slam lebt vom frei gesprochen Wort und das beherrschen die drei. Nur Nora Gomringer greift immer mal wieder zu ihren Büchern, um daraus zu zitieren.
Vocal Percussion trifft Lyrik
Die Texte haben durchweg einen hohen sprachlichen Standart. Verblüffend, wie virtuos die drei mit Sprache umgehen können. Dalibor Markovic kommt ursprünglich aus der Musikszene, jahrelang hat er als Beat Boxer gearbeitet. Er streut immer wieder rhythmische Elemente, nur mit dem Mund geformt, in seine Poesie ein (Vocal Percussion). Markovic rhythmisiert die Sprache, wie es viele Slamer machen, zaubert aber auch mal ein Gedicht als Kuchen, mit einem Teig aus Versmaß, einer Glasur aus Lyrik und einer Füllung aus Gesellschaft. Mit schlaff hängender Jeans, das Mikrofon eine Verlängerung seiner lässigen Handbewegungen, steht er mit glatt rasiertem Schädel auf der Bühne.
Bei dem ganz in Schwarz gekleideten Bas Böttcher lenkt nichts Äußeres von seinen in Reimen gekleideten Texten ab. Seine Texte rappen. Es eröffnet sich eine Dimension der Texte, die ihre Liebe und unendliche Leidenschaft für Konsonanten, Alliterationen und Endungen, andauernde Mehrdeutigkeiten zelebriert. Kurz, er verwandelt Silbenklang in Literatur. Seine unglaublich kompakt und fließend montierten Langzeilen treiben höher und höher, spielen mit Worten und Bedeutungen. Hip Hop als erlesene Reimkunst und Geschichtenerzählen.
Wie eine Opernsängerin steht Nora Gomringer auf der Bühne und schwitzt und lächelt ihre hintergründigen Texte ins Publikum. Sie intoniert regelrecht ihre Gedichte und Texte, flüstert, gestikuliert und drückt somit das pralle Leben aus, das in ihre Textzeilen gegossen ist. Einen Text rezitiert sie zusammen mit Dalibor Markovic, der mit seiner Vocal Percussion den Text zusätzlich rhythmisch anreichert.
Das Publikum im Max-Bense-Saal der Stadtbibliothek quittiert immer wieder die Texte der drei Wortakrobaten mit langem Beifall. Ungewöhnlich für eine literarische Veranstaltung, dass das Publikum sich am Ende noch eine Zugabe erklatscht.
Einblicke in das Programm Boombastic Lyrikwunderland gewährt der SWR2 hier. Nachhören kann man die Veranstaltungen von 3durch3 auch hier.