Tag 14: Kyōto, 23. Oktober 2023
Die Hektik im Frühstücksraum des Hotel und der Ansturm zum Buffet am ersten Tag haben sich gelegt. Trotzdem ist an eine ruhige Atmosphäre nicht zu denken, die für eine Zazen-Meditation unabdingbar ist. Es steht kein eigene Raum dafür im Hotel zur Verfügung. Und so wird die Meditation kurzerhand auf den Berg Hiei verlegt und auf einem etwas abgelegenen Tempelbezirk vom Enryaku-ji, dem Yokawa, durchgeführt. Nach der Meditation führt M.v.B. in den Tendai Buddhismus ein. Alle Klöster und Tempel auf und um den Berg Hiei gehören dieser Richtung an, die von dem Mönch Saichō gegründet wurde. Der Klosterberg Hiei im Nordosten Kyōtos mit dem Hauptkloster Enryaku-ji ist das Zentrum des Tendai Buddhismus und war jahrhundertelang das mächtigste Kloster Japans. Es besaß eine gefürchtete Armee von Kriegermönchen (sōhei) und sah sich als geistliche und militärische Schutzmacht der Hauptstadt an. 1571 wurden die Tempel auf dem Berg Hiei allerdings durch den Feldherrn Oda Nobunaga zerstört und danach nie mehr gänzlich wieder hergestellt. Die ursprüngliche Struktur der Anlage mit drei großen Tempelbezirken und unzähligen Zweigtempeln, die über das ganze Bergmassiv verstreut sind, besteht jedoch noch heute.
Innerhalb des Tendai Buddhismus etablierte sich ein esoterischer Zweig, der das Ritualsystem des esoterischen Buddhismus innerhalb der Tendai Klöster praktizierte und damit in Konkurrenz zur aufstrebenden Shingon Schule (von Kūkai) trat. So gibt es z. B. das Ritual des Laufens, bei denen täglich Strecken in der Größenordnung eines Marathonlaufs absolviert werden. Über den „Marathon-Mönch“ vom Berg Hiei hat der SWR eine sehenswerte Dokumentation gedreht, die auf Youtube verfügbar ist.
Vom Tempelbezirk Yokawa fährt der Bus die Reisegruppe 5 km zurück zum großen Tempelbezirk des Enryaku-ji, wo es erst einmal ein leckeres Mittagessen im Klosterrestaurant gibt. So gestärkt kann ein jeder für sich die verschiedenen Tempel besuchen und sich Tempelstempel in das Tempelstempelbuch geben lassen. Ja, M. hat sich ein weiteres Tempelstempelbuch besorgt, in das er die Stempel der diversen Tempel in und um Kyōto eintragen lässt. In einem der Tempel probiert er die Kalligrafie-Kunst selber aus, in dem er Schriftzeichen auf vorgefertigte Bögen nachzeichnet. Eine mühselige Arbeit, wenn man zum ersten Mal mit einem Tuschepinsel Schriftzeichen malt.
Vom Berg Hiei und seiner beeindruckenden Tempelanlage geht es bergab zum Biwa See, der letzten Station des heutigen Ausfluges. Der Biwa See ist vermutlich ist er einer der ältesten Seen der Welt und hat eine Fläche von 674 km². Zum Vergleich: Der Bodensee hat eine Fläche von 536 km². Der Biwa See vesorgt auch Kyōto mit Wasser. An seinem Westufer steht der ukimi-do („schwimmender Tempel“) Mangetsu-ji. Nicht nur, dass der Mangetsu-ji im Wasser steht, ein riesiger Raubvogel hat sich auf sein Dach gesetzt und es hat den Anschein, er wolle den Tempel wie eine Beute von dannen tragen.
Ganz unjapanisch ist das heutige Abendessen: in einem italienischen Restaurant unweit des Hotels gibt es Pizza.