Die diesjährige Friedensgala der AnStifter ehrt eine mutige Frau aus der Türkei: Aslı Erdoğan. Sidar Carman von der DIDF, die auf deutsch und türkisch durch den Abend führt, bezeichnet diese Schriftstellerin und Kolumnistin als eine, die ihre Meinung äußert und sich nicht einschüchtern lässt. Frau Erdoğan gehört zu den Fürsprechern der kurdischen Minderheit in der Türkei. Als Kolumnistin schrieb sie zunächst für die Zeitung Radikal, anschließend – bis zu ihrem Verbot – für die kurdisch-türkische Zeitung Özgür Gündem. Die Tatsache, dass sie für eine verbotene Zeitung schrieb, ist ihr zum Verhängnis geworden. Im August 2016 wurde sie in Istanbul im Rahmen einer Verhaftungswelle von Journalisten und Mitarbeitern der pro-kurdischen Tageszeitung festgenommen. Über vier Monate saß sie ohne Prozess im Gefängnis. Sie wurde entlassen aber ihr Pass wurde ihr entzogen. Erst Mitte dieses Jahres erhielt sie ihn zurück und sie konnte nach Deutschland reisen. Es war zum Zeitpunkt der Entscheidung, ihr den Friedenspreis der Anstifter zu verleihen, nicht klar, ob sie ihn persönlich entgegen nehmen könnte. Und nun verhinderte ein tragischer Autounfall auf dem Weg zur Friedensgala, dass sie die Ehrung an diesem Abend persönlich übergeben bekommt. Dieses Ereignis überschattet die Feierlichkeiten.
Es scheint, die Musiker um den Tenbûr-Spieler Cemîl Qoçgîrî spielen eine Spur zurückhaltender, die Laudatorin Elisabeth Abendroth muss ihr Redemanuskript auf die Tatsache der Abwesenheit der Geehrten anpassen. Sie spricht von der Ermutigung, die Aslı Erdoğan für uns ist. Sie, die uns daran erinnert, „dass alles, was wir besitzen, zu dem wir gehören, bei dem wir dabei sein oder mittendrin sein wollen – auch wenn alle hegemonialen Mächte dieser Erde etwas anderes sagen – mit einem bestimmten Wort untrennbar verbunden ist: Frieden.“ Dieses Zitat von Aslı Erdoğan im Redemanuskript von Frau Abendroth stammt aus ihrem Essay-Band Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch. Das Buch ist im März diesen Jahres im Albrecht Knaus Verlag erschienen. Der Verlag hat es als deutsch-türkische Ausgabe veröffentlicht. Es sind Texte, die die momentane Stimmung in der Türkei einfangen und die Türkei als ein zwischen Ignoranz und ohnmächtiger Wut gespaltenes Land beschreiben. Ihr Verleger Wolfgang Ferchl ist an diesem Abend für die Geehrte eingesprungen, verleiht ihr mit der Lesung einiger Passagen aus ihrem Buch eine Stimme.
Die Verleihung des Friedenspreises der AnStifter an Aslı Erdoğan rückt nicht nur den Mut dieser Frau in den Blick. Die AnStifter im Saal erinnern mit Schrifttafeln bei der Übergabe des Friedenspreises an die vielen Schriftsteller, Intellektuellen und Oppositionellen, die von den türkischen Machthabern inhaftiert wurden. Durch die Nennung der Namen auf den hochgehaltenen Plakaten werden diese Menschen in die Auszeichnung für das Friedensengagement eingebunden.
Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch / Artık Sessizlik Bile Senin Değil
Essays / Denemeler
Deutsch-türkische Ausgabe, 352 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Knaus, Preis 20,00 €
Zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens