In regelmäßigen Abständen legt Heinrich Steinfest einen Roman vor. Aus seinem Anfang März erschienenen Roman Die Büglerin las der Autor am 5.3.2018 im Literaturhaus, an seiner Seite hatte Denis Scheck Platz genommen, der sich nicht zum ersten Mal als großer Bewunderer der Werke Heinrich Steinfests zu erkennen gab.
Einen nacherzählbaren Plot zu haben ist nicht die Sache von Heinrich Steinfest
Schwer seien die Plots der Romane dieses Autors zu beschreiben, meint der Literaturkritiker Scheck. Für ihn sind sie mit LSD-Trips vergleichbar, hinterließen Widerhaken in seinem Hirn. In der Tat mäandert Steinfest in seinen Romanen um sein Thema, bedient sicher einer ausufernden Erzählweise, die man mit Fug und Recht als eine Essayistische bezeichnen kann. Dabei macht er äußerliche einen eher nüchternen Eindruck, immer ganz in Schwarz gekleidet, wie Johny Cash („The man in black“), der mit seinem Outfit verdeutlichen wollte, dass er das Leiden der unterdrückten Amerikaner auf sich nehmen wollte. Das wolle er, Steinfest, nicht. Für ihn ist es eher das Schnörkellose, die klare Linie, die er braucht, um seiner ausufernde Phantasie Raum zu geben. In seinem Innern ist oft Chaos, das erfordere eine äußerliche Nüchternheit. Auch seine Wohnung strahle Aufgeräumtheit und Schlichtheit aus. Schwarz sei für ihn nun mal die Reduktion der Farbe. Dagegen würde er in seine Texten eher etwas hineinschneiden als herausschneiden, sehr zum Leidwesen seines Lektors.
Womit der Roman seinen Anfang nahm
Am Anfang seiner Arbeit zu diesem Roman stand ein Erlebnis in einem Kinosaal. Er hatte damals den Eindruck, eine vor ihm sitzende Person verhielte sich auffällig. Sollte er darauf reagieren, sich wohlmöglich lächerlich machen? Diese Begegnung hat Steinfest als Schlüsselszene in seinen Roman um die Büglerin Tonia Schreiber ausformuliert.
Einmal in ihrem Leben hat Tonia versagt und über dieses Trauma kommt sie nicht hinweg. Als sie mit ihrer geliebten Nichte „Mission Impossible 4“ mit Tom Cruise ansah, schoss ein Mann im Kino wild um sich. Weil sie ihre Nichte nicht vor diesem schießwütigen Zuschauer hat schützen können, verordnet sie sich eine lebenslange Buße, die sie am Bügelbrett ableistet. Dabei begann ihre Kindheit und Jugend unter denkbar günstigen Vorzeichen.
Bügeln als Buße
Als Tochter renommierter Botaniker verbrachte sie ihre Kindheit auf einer Segeljacht, lebte später in Wien in der elterlichen Villa und zog gemeinsam mit ihrer Halbschwester ihre Nichte Emilie auf bis zu eben diesem tragischen Ereignis, in dessen Folge Emilie starb. Tonia gab ihre Freunde und ihre wissenschaftliche Karriere auf, vermachte ihren Reichtum der katholischen Kirche und verließ ihre Heimatstadt Wien und begann zu bügeln. Mit der Hand bügelt sie die Wäsche ihrer vermögenden Kunden. Die Arbeit erledigt sie mit Sorgfalt und Präzision, obgleich sie schlecht bezahlt wird. Denn das Bügeln ist ihre Form der Sühne für den Tod ihrer Nichte, der ihr Leben radikal verändert hat. Doch das Leben ist noch nicht ganz fertig mit ihr. Denn der Zufall spielt ihr etwas in die Hände, das Emilies Tod in ein anderes Licht rückt. Doch bis es dazu kommt, hat sich der Leser bereits durch den ganzen fabelhaft geschriebenen Roman gelesen.
Der Romankosmos von Heinrich Steinfest
Heinrich Steinfest liest an diesem Abend einige Passagen aus dem Roman und es ist jedes Mal ein Genuss, seine mit leicht wienerischem Akzent gefärbte Stimme zu hören. Ganz am Ende des Romans taucht ein Österreicher mit chinesischem Aussehen auf, dem ein Arm fehlt. Und Tonia hat den Eindruck, er hätte einen Hund dabei. Da hat sich eine andere Figur aus dem literarischen Universum von Heinrich Steinfest in den Roman geschlichen. Eine ganze Reihe hatte er dem einarmigen Ermittler Cheng gewidmet. Heinrich Steinfest verrät an diesem Abend, dass er gerade dabei ist, einen weiteren Chengroman zu schreiben. Mit dieser Romanserie um den einarmigen Ermittler ist er als Krimiautor bekannt geworden. Das Krimietikett haftet ihm seither an. Aber Gattungen interessieren ihn wenig. Er schreib halt wie er schreibt. Immer wieder tauchen Querverweise in Die Büglerin zu seinen vorherigen Romane auf: Der Gemüseladen des männlichen Protagonisten, Dyballa, trägt den Namen Das grüne Rollo (Titel seines 2015 erschienen Romans). Dyballa hat in Stuttgart bei einem Bademeister das Schwimmen gelernt, unschwer ist damit ein Bezug auf Sixten Braun aus Der Allesforscher zu erkennen. Der Romankosmos von Heinrich Steinfest ist für ihn eine Art Paralleluniversum, Anfang und Ende seiner Romane sind mutwillig gewählt und die von ihm erzählte Geschichte ist immer nur ein kleiner Ausschnitt aus der Wirklichkeit. So verwundert es nicht, das er darin auch seine früheren Romane einbeziehen kann.
Für Heinrich Steinfest ist seine Literatur ein Trostspender, kein Ratgeber. Sie ist für ihn auch Therapie, eine Auseinandersetzung mit dem Leben und dem Erleiden. Steinfest meint, auch das Schöne braucht Trost. Vor diesem Hintergrund erscheint die Lektüre des Romans Die Büglerin in ganz neuem Licht.
Die Büglerin
288 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
Piper, Preis 20,00 €
Zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens