Tag 2: Naruto, 11. Oktober 2023
Der erste Tag auf Shikoku hat ein randvolles Programm, wobei die „Flügel“ des Programms weit gespannt sind: Von der Shintō-Religion über deutsche Kriegsgefangene hin zu einem buddhistischen Tempel und am Ende des „Flügels“ die Strudel von Naruto.
Ein Tor zur Götterwelt
In Japan existiert die Shintō-Religion gleichberechtigt neben dem Buddhismus. Die Naturreligion Shintōismus ist für M. schwierig zu verstehen. Sie kennt viele Götter und existiert friedlich neben dem Buddhismus. Viele Japaner sehen sich sowohl als Shintōisten als auch als Buddhisten.
Die Reisegruppe unter der fachlichen Leitung von Michael von Brück fährt mit dem Bus zum Oasahiko Shrine, einem prächtigen Shintō Shrine am Bandotani River, ein gute halbe Stunde Busfahrt vom Hotel, in der die Reisegruppe übernachtet.
Buddhismus und Shintōismus sind aufgrund ihrer langen gemeinsamen Geschichte nicht immer leicht zu unterscheiden. Als wichtigstes Merkmal, das die beiden religiösen Systeme trennt, wird oft die Diesseitsbezogenheit des Shintō , eine Naturreligion, angeführt. Darüber hinaus kennt der klassische Shintō keine heiligen Schriften im Sinne eines religiösen Kanons, sondern wird weitgehend mündlich überliefert. Dafür als Naturreligion eine unüberschaubare Anzahl von Göttern
Das Ritual der Reinigung ist im Shintōismus zentral. Shintōisten reinigen sich vor dem Betreten des Schreins den Mund und die Hände mit Wasser. Dafür steht vor jedem Schrein ein Wasserbecken mit Schöpfkellen, die aber nicht mit dem Mund berührt werden dürfen. Mit diesem Ritual sollen böse Geister ferngehalten werden. Dieses Reinigungsritual gibt es auch in den buddhistischen Tempeln auf Shikoku. Typisch für einen Shintō Shrine ist das Tor mit dem doppelten Querbogen, das sich vor allen Shintō Tempeln findet, wie auch hier am Eingang zum Oasahiko Shrine.
Auf dem Geländes des Oashiko Shrines steht eine kleine, aus Stein gebaute Brücke, die von deutschen Kriegsgefangenen errichtet wurde. Hier an dieser Brücke stellen sich alle Gruppenmitglieder einander vor, erzählen, was sie bewogen hat, an der Reise mit Michael von Brück teilzunehmen. Diese wurde von der ehemaligen Leiterin der evangelischen Stadtakademie zusammen mit einem jungen Pfarrer aus der Schweiz und einem auf Japan spezialisierten Reiseunternehmen ausgearbeitet. Dieses Reiseunternehmen hat auch eine japanische Reiseleiterin der Gruppe an die Seite gestellt. Iho spricht gut Deutsch kann und somit die Kommunikation in Japan sicherstellen.
Die Folgen des ersten Weltkriegs
Nach der Niederlage im ersten Weltkrieg kamen viele deutsche Kolonialbeamte und Soldaten, vor allem aus China, in japanische Gefangenenlager. Heute ist das Deutsche Haus, das zweite Ziel am heutigen Tag, eine gute Gedenkstätte für diese Zeit.
Man kann auch Kriegsgefangene mit Respekt behandeln
Auf der Internetseite der Deutschen Welle wird der historische Hintergrund beschrieben:
„Als Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich im Sommer 1914 in Europa den Ersten Weltkrieg begannen, war wohl kaum abzusehen, dass sich schon wenige Monate später tausende ihrer Landsleute in japanischer Kriegsgefangenschaft befinden würden. Der Grund: Der Krieg galt dem Vereinigten Königreich als willkommener Anlass, seine Machtposition im Pazifikraum auszubauen und die deutsche Kolonie Tsingtau (heute die chinesische Stadt Qingdao) einzunehmen. Der britische Bündnispartner Japan forderte die Deutschen auf, die Kolonie zu entwaffnen. Als sie dieser Aufforderung nicht nachkamen, rückten japanische Truppen auf die Stadt vor. Ähnliche Szenen ereigneten sich auch auf von deutschen Kolonialisten gehaltenen Inselgruppen wie den Marshall- und den Marianeninseln.“
Im Deutschen Haus wird anschaulich darüber berichtet, dass die Gefangenen eigenes Brot, Würstchen und Süßigkeiten herstellten. Alles Dinge, die die einfache japanische Bevölkerung nur selten zu Gesicht bekam. Die Musik der diversen Lagerorchester (mit bis zu 30 Personen!) war bei den Japanern sehr beliebt. In gewisser Weise spielten die Gefangenen die Rolle von Friedensbotschaftern. Noch heute gehen einige Deutsch-Japanische Freundschaftsvereine auf diese Begegnungen zurück.
Tempel 1: Ryonzen-ji
Am ersten Tempel auf der Shikoku-Pilgerreise, kann die Reisegruppe sich auf ihre Pilgerreise einstimmen. Empfangen werden sie von zwei hölzerne Tempelwächter, die ihnen an vielen Tempeln begegnen werden:
In der Darstellung der Torwächterpaare gibt es immer einen kleinen, aber signifikanten Unterschied: Einer hat den Mund geöffnet, der andere geschlossen. Der geöffnete Mund repräsentiert die erste Silbe des Sanskrit-Alphabets „A“, der geschlossene die letzte Silbe „HUM“ (jap. un, bzw. n). Zusammen ergeben die beiden Silben das Mantra a[h]um, Anfang und Ende, die Gesamtheit aller Dinge (vgl. „Alpha und Omega“). Die beiden niō werden daher auch als a-gyō (A-Form) und un-gyō (HUM-Form) bezeichnet. Zumeist ist mit diesen beiden Formen auch ein charakterlicher Unterschied verbunden: A scheint mit seinem Vajra zum Angriff anzusetzen, während HUM einen Angriff abwehrt oder eine beruhigende Geste ausführt. Dieser aktiv/passiv-Gegensatz birgt möglicherweise auch einen Yin Yang-Aspekt.
Anfang und Ende, das passt, denn der Pilger auf dem Shikokuweg beginnt seine Reise zu den 88 Tempeln genau hier, am Ryonzen-ji Tempel und beendet seine Reise hier. Alle Pilger decken sich zu Beginn mit Pilgerutensilien ein. Dazu gehört ein Stock mit Glöckchen, der weißen Pilgerweste, einem Pilgerhut, Kerzen, Räucherstäbchen und, ganz wichtig, das Pilgerbuch! Darin wird der Besuch eines jeden Tempels mit Stempeln und einer kunstvoll ausgeführten Kalligrafie dokumentiert. Da an allen Tempeln das Herzsutra rezitiert wird, kann man dieses als kleines, faltbares Büchlein erwerben. Die kleinen Dinge kann man in einer Pilgertasche verstauen, die die Größe einer Handtasche hat.
M. deckt sich mit Räucherstäbchen und Stempelbuch ein und erwirbt noch eine Pilgerweste. Auf Hut und Stock verzichtet er.
Ein Naturerlebnis am Ende des Tages
Die letzte Station am heutigen Tag sind die Naruto Strudel (Uzo no Michi), am nordöstlichen Zipfel von Shikoku gelegen, gleich neben dem wunderbaren 4-Sterne-Hotel AoAwo Naruto Resort, wo auf M. Schon das Bad im Onsen schon wartet.
Die Strudel entstehen in der Naruto-Straße, wenn große Wassermengen sich mit dem Wechsel zwischen Ebbe und Flut bewegen. In der Kombination mit einer einzigartigen Unterwassergeografie in der Meeresenge werden die Strudel erzeugt. Das Gebiet um die Naruto-Straße wird als eine der drei schnellsten Gezeitenmeere der Welt bezeichnet. Sie können einen Durchmesser von bis zu 20 Metern haben. Naruto und die Insel Awaji werden durch eine Brücke miteinander verbunden. Von der Spitze von Shikoku aus kann man die Uzo no Michi erreichen. Auf der Bücke sind Glasfenster im Boden eingelassen so dass M. den Strudel aus einer Höhe von 42 Metern zu seinen Füßen beobachten kann und natürlich auch von der Brücke aus selber.
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Lieber Michael.
Ich danke dir für deinen schönen Bericht.
Wunderbar, wie du Erinnerungen aufweckst.
und:
Ich lerne. Manches hatte ich nicht so genau mitbekommen unterwegs.
Unterschiede Shinto, Buddhismus
Die beiden Wächter.
Ach ja, ein Bad im Onsen.
Herrlich! Herrlich.