Wie präsentiert sich ein Comic-Zeichner seinem Publikum bei einer „Lesung“? Diese Frage stellten sich wohl die Gäste am 5. Mai im Literaturhaus Stuttgart anlässlich der Vergabe des Preises der Literaturhäuser In diesem Jahr geht er an den österreichischen Zeichner Nicolas Mahler. Die elf Literaturhäuser aus Österreich, der Schweiz und Deutschland ehren damit einen Autor, der sich in innovativer Form mit Literatur auseinander setzt und in sehr eigenständigen und kunstvollen Formen der Vermittlung das Publikum für die Literatur zu gewinnen weiß.
Nicolas Mahler zeigt seine Comics als Bildpräsentation mittels PC und Leinwand. Humorvoll arbeitet er einen Fragenkatalog ab. Die Antworten gibt er mit Einblicken in sein umfangreiches Werk.
Laudatio für Nicolas Mahler von Jaroslav Rudiš
Doch bevor er sein Werk präsentierte, hielt Jaroslav Rudiš, Schriftsteller, Dramatiker und Drehbuchautor, die Laudatio auf den Preisträger. Die beiden hatten sich vor zwei Jahren auf dem Erlanger Comic-Salon kennen gelernt, als Jaroslav Rudiš mit seiner Graphic Novel „Alois Nebel“ durch die Lande zog.
Rudiš ist ein Geschichtenerzähler, der ebenso wie Mahler viele seiner Geschichten den Menschen in der Sauna, der Straße und bevorzugt in Kneipen und Wirtshäusern ablauscht. Womit schon gleich die Frage: „Woher nehmen Sie Ihre Ideen, Herr Mahler?“, beantwortet wäre. Und weil uns Jaroslav Rudiš immer wieder mit seinen Geschichten zu fesseln vermag, in denen der Böhmische Witz durchschimmert, hielt er seine Laudatio in Form einer Kurzgeschichte. Die hatte er eigens für diesen Abend geschrieben. Er zeichne „brutal schön“, charkterisierte Jaroslav Rudiš Nicolas Mahler. Bevor er Nicolaus Mahler das Podium überlies, überreichte er ihm einen Gruß aus der Heimat. Wie könnte es anders sein – eine Dose tschechisches Pilsener Urquell.
Ein umfangreiches Œvre
In seinem 25jährigen Schaffen hat Nicolas Mahler mehr als 50 Publikationen herausgebracht. Seine Zeichnungen erscheinen u.a. in der ZEIT, der Neuen Zürcher Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in der Satirezeitschrift Titanic.
Da verwundert schon ein wenig die erste Frage aus seinem Fragenkatalog: „Zeichnen Sie absichtlich so schlecht?“ Er erzählte von seinen Anfängen, die einen ganz anderen Charakter hatten als seine heutigen Bildgeschichten, viel opulenter ausgemalt. Er sagt von sich: „Ich konnte nicht zeichnen, bis ich wegließ, was ich nicht zeichnen konnte.“ Mit 20 Jahren hatte er mit dem Zeichnen begonnen, mit 23 Jahren schaffte er es endlich auf die Kunsthochschule. Schnell wurde ihm klar, Comic und Kunstbetrieb, das funktioniert nicht so richtig. Weswegen er seinen ersten Comics auch als „Kleinstunternehmer“ in von ihm aufgehängten Automaten verkaufte. Seine ersten Skizzenbücher wollte er nicht nutzen, da sie ihm leer schöner erschienen als mit seinen Skizzen und Storyboards gefüllt. Auf der Leinwand gab er dennoch Einblick in seine Skizzenbücher. Sie offenbaren eine anarchistische Arbeitsweise, in denen die Recherchearbeiten und Vorarbeiten zu Bildgeschichten festgehalten sind. Anhand einiger Zeichnungen erzählte er von seinen Bemühungen bei seiner Sachbearbeiterin vom Finanzamt, Frau Goldhuber, seinen Status als Künstler durchzusetzen, um mindestens bei der Mehrwertsteuer von seiner Profession einen finanziellen Vorteil zu erlangen.
Von Hamstern und Kleinverlagen
Auf die Frage, warum seine Bücher in so vielen Ländern erschienen – er verlegt in ganz Europa, in den USA und Kanada – erklärte er, Kleinverlage, und in solchen erschienen seine Werke zum allergrößten Teil, seien wie Hamster: Sie sterben schnell, daher sollte man sich immer einige halten. Mittlerweile hat er es aber in die ganz großen Verlage geschafft: Seine Literaturadaptionen „Alte Meister“ nach Thomas Bernhard, „Alice in Sussex“ nach Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ und „Der Mann ohne Eigenschaften“ nach Robert Musil sind allesamt bei Suhrkamp erschienen. Einen Gedichtband mit visueller Poesie ohne Worte veröffentlichte er im Insel-Verlag.
Damit wäre auch die letzte Frage („Kann man davon leben?“) seiner Sammlung „Fragen der Leser“ beantwortet und die Frage, warum ein Zeichner den Preis der Literaturhäuser bekommt auch.