Der Gastbeitrag zur gendergerechten Sprache von Bernhard Bathiany hat zu sehr unterschiedlichen Reaktionen geführt. Der überwiegende Teil war positiv. Aber es gab auch Beschimpfungen. Da hätten sich „zwei alte weiße Männer“ auf die Schenke geschlagen. Das gipfelte dann in der Bemerkung:
Mansplaining hat ausgedient. Nicht gemerkt? Spätestens als der Fraktionschef Merz (CDU) meinte, sich über die feministische Außenpolitik von Annalena Baerbock lustig machen zu müssen, hätte man den Gong hören müssen. Oder habt Ihr da auch mitgelacht?
Wir haben uns in keiner Weise über feministische Außenpolitik lustig gemacht. Da hat die Briefschreiberin wohl einiges hineininterpretiert. Besser hat es eine andere Kommentatorin verstanden:
Was derzeit an, hauptsächlich im akademischen Bereich stattfindenden Debatten läuft, befremdet mich. Vor allem durch das WIE, also durch die, so sehe ich es, individualistische und ausgrenzende Art und Weise.
Wer gibt den Ton in den Debatten um Sprache an?
Genau das hat die Glosse wunderbar aufgespießt. Ein Gespräch zwischen der Verlegerin Katharina Raabe vom Suhrkamp-Verlag und der Übersetzerin Olga Radetzkaja bringt das auf den Punkt. Nachzulesen im Perlentaucher hier oder in der eingesprochen Version hier. Ich paraphrasiere einige Gedanken, die zu dem Thema aussagekräftig sind, aus meiner Sicht.
Selbstreferentielle Sprache läuft Gefahr, als Erkenntnisinstrument und Medium der Auseinandersetzung mit Sachthemen, mit der Welt, unbrauchbar zu werden. In der kommunikativen Funktion werden nicht mehr Unterschiede überbrückt, sondern herausgekehrt. In den Debatten um „gerechte Sprache“ geht es m. E. um Abgrenzung und Festschreibung von Zugehörigkeiten. Inhalte sind nicht mehr so wichtig. Dabei geht durch die „geschlechtergerechte“ und diskriminierungssensible Sprache oft mehr Klarheit verloren als an anderer Stelle eventuell gewonnen wird.
Denn wenn wir z. B. als „Bürger“ eines Staates als „Bürgerinnen und Bürger“ beziehungsweise „Bürger:innen“ angesprochen werden, steht nicht mehr unsere soziale und politische Rolle im Zentrum, sondern wir als konkrete einzelne, sexuell markierte Personen. Das ist etwas grundlegend anderes. Es fehlt dabei die Erkenntnis, wer die Genannten sind: es gilt in den Blick zu nehmen, was sie tun.
Eine Debatte, die überwiegend in universitären Kreisen geführt wird
Wir erleben im universitären Bereich eine Debatte um Identitäten und Zugehörigkeiten, die sich an der Idee festmacht, jede Person habe ein Recht darauf, in einer gruppenspezifischen Besonderheit von allen anderen Personen sprachlich gewürdigt zu werden. Die hitzige Debatte um die Übersetzung von Texten z. B. schwarzer Autorinnen (wie im Fall von Amanda Gorman „The Hill we Climb“) ist der Ausdruck der gleichen, m. E. fehlgeleiteten Einschätzung. Es geht darum, wer spricht und nicht um Sprache an sich.
Wollen wir wirklich die eigene Sprache an moralischen Maßstäben messen? Der Anspruch auf richtiges Sprechen wird problematisch, wenn die Kriterien des Richtigen nicht mehr zur Diskussion gestellt werden, weil es sich letztlich um eine private Gefühlssache handelt. Dann werden andere – z.B. als alte weiße Männer – abgetan, mit denen man sich nicht mehr zugehörig fühlt, unabhängig vom Inhalt der Diskussion. Das ist höchstgradig narzisstisch. Wollen wir wirklich alle gesellschaftlichen Untergruppen sprachlich repräsentieren: die Frauen, die Männer, die Transpersonen, die Menschen türkischer Herkunft, die Afghaninnen?
Was macht eine offene Gesellschaft aus?
Für mich wäre eine politische Zielsetzung die, die das Ende jeglicher Diskriminierung und Marginalisierung anstrebt. Die die Gleichheit von Menschen jederlei Geschlechts und die rechtliche Gleichstellung von Minderheiten zu verwirklichen sucht. Das wäre eine offene Gesellschaft, in der sich Solidarität in einer umgreifenden und verbindenden, statt in einer trennenden, auf Unterscheidungen bedachten Sprache ausdrücken würde.