Zwei Bücher über das politischen System der USA und seinen Repäsentanten Donald Trump. Nicht mehr ganz, neu aber immer noch aktuell.
Das Leben kann glänzend sein in Amerika
– Wenn du kämpfen kannst in Amerika!
Das leben ist in Ordnung in Amerika
– Wenn du weiß bist in Amerika!
Das sangen die US-amerikanischen Jets und der puerto-ricanischen Sharks (beides Jugendbanden) 1957 in dem Musical West Side Story. Und wie ist es heute?
Ein Buch, das der Spaltung in den USA nachgeht
Das Land ist tief gespalten. Die Gräben zwischen den politischen Lagern sind in den letzten 10-15 Jahren tiefer und tiefer geworden: Demokraten auf der einen, Republikaner auf der anderen Seite. Der Unterschied zwischen der „woken“ Linken und den christlichen Fundamentalisten ist unüberbrückbar. Das Land scheint sich im Wahn zu befinden, wie die beiden Autoren Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby in ihrem Buch Im Wahn – Die amerikanische Katastrophe schreiben. Bereits im Juni 2019 begannen die beiden Journalisten mit ihren Recherchen für das Buch, haben über ein Jahr lang recherchiert, mit vielen Insidern gesprochen und kommen zu dem Ergebnis: In Trumps Amerika kann man beobachten, wie es ist, wenn eine Demokratie stirbt. Sie sind profunde Kenner der US-amerikanischen Gesellschaft. Brinkbäumer berichtete als Reporter und Korrespondent für den Spiegel als USA-Korrespondent. Er beobachtete vier amerikanische Präsidentschaftswahlen, hatte zeitweise seinen Wohnsitz in die USA verlegt. Heute moderiert er u. a. zusammen mit Rieke Havertz den hörenswerten Podcast OK, America.
Brinkbäumer und Lamby beschreiben, wie Donald Trump seine Politik betreibt. Bleiben aber nicht bei Trump stehen, sondern zeigen auf, welche Intrigen frühere Präsidenten gesponnen haben. Indem sie diesen Kontext herstellen, ist das Buch nicht nur eine Abrechnung mit dem 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Nixon hat seine politischen Gegner abhören lassen und stürzte darüber. Der Watergate-Skandal beendete Nixons politische Laufbahn, einem „Impeachment“ kam er durch Rücktritt zuvor. Knapp einen Monat nach seinem Rücktritt wurde Nixon von seinem Nachfolger, Gerald Ford, bedingungslos begnadigt in Bezug auf „alle Verstöße gegen die Vereinigten Staaten, die er, Nixon, begangen hat oder begangen haben könnte, oder an denen er beteiligt war“
Donald Trump bevorzugt einige Medien
Sollte Trump erneut an an die Macht kommen, wird er vermutlich alle gegen ihn angestrengten Gerichtsverfahren aussetzen bzw. sich selbst begnadigen. Vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen ist dieses Buch, erschienen 2020, immer noch brandaktuell. Trump wird das Bild eines von den Demokraten Verfolgten ausschmücken. In der Öffentlichkeit wird die Grenze zwischen Fakten und Fake weiter verwischt. Das ist wohl die schwierigste Verschiebung in der Öffentlichkeit: Die von Trump systematisch verleumdeten Qualitätsmedien, denen er immerzu Fake-News vorwirft. Wir lesen in diesem Buch von den Stärken und Schwächen des 45. Präsidenten, vom Aufstieg von Fox News und wie dieser Sender zum Haus- und Hofsender von Donald Trump wurde.
Auch die rechtspopulistischen Parteien in Europa bedienen sich dieses Taschenspielertricks, auf den leider so viele Menschen hereinfallen. Die in Amerika populären Talk Radios in der neueren, amerikanischen Geschichte haben über Jahre das Feld dafür bereitet und den Hass auf Andersdenkende geschürt. Die Talk Radios beleuchten die beiden deutschen Journalisten besonders ausgiebig. Schaut man sich die Kanäle auf diversen Internetplattformen der rechtsradikalen Gruppen hierzulande an, erkennt man eine 1:1-Kopie der amerikanischen Verhältnisse: der politische Gegner wird diffamiert und die Fakten werden auf eine Art und Weise verdreht, dass es für Diskussionen keine gemeinsame Basis mehr gibt.
Eine schlüssige Antwort, warum große Teile des amerikanischen Volkes einem solchen Demagogen folgen, können Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby nicht abschließend erklären.
Die Familienstrukturen beleuchten
Von der Seite der Persönlichkeitsstruktur nähert sich Mary L. Trump ihrem Onkel Donald Trump. Ihr Vater Freddy war der Bruder von Donald Trump. Es gelingt ihr, ein dichtes Psychogramm ihres Onkels zu erstellen. Die Szenen untermauern viele der aus der Ferne gestellten Diagnosen über Donald Trump: Narzissmus, Züge von Soziopathie, womöglich gar Psychopathie, eine erhebliche Lernstörung.
Mary L. Trump ist promovierte klinische Psychologin, kennt sich mit Persönlichkeitsstrukturen aus. Sie erklärt, welche familiären Hintergründe Donald Trump zu dem gemacht haben, der er heute ist. Der Titel des Buches beschreibt ein wesentliches Merkmal ihres Onkels: Genug ist nie genug. Der Untertitel Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf ist reißerisch und legt den Schluss nahe, dass die Marketingstrategen des Verlages diesen Titel gewählt haben. Denn es wird von Mary L. Trump eher das Bild eines von Geltungssucht getriebenen Menschen gezeichnet. Trump sei nicht einfach schwach. Sein Ego sei ein zerbrechliches Gebilde, das ständig angehimmelt werden müsse, weil er tief im Innern genau wisse, dass er nichts von dem ist, was er zu sein vorgibt.
Konkurrenz unter Brüdern ist so alt wie die Menscheit
Sie zeigt Trumps fehlende Empathie und sein Anspruchsdenken als Resultat der Bevorzugung Donalds gegenüber seinem Bruder Bruder Fred jr. (dem Vater der Autorin) durch den soziopathischen Vater, der Freddy vor Donalds Augen beständig demütigte. Und wenn Donald Trump nicht so großes Unglück verursachen würde, sollte man eher Mitleid mit diesem Menschen haben. Während der ältere Bruder, Freddy, bei seinem Versuch, sich von seinem Vater zu lösen, im Alkoholismus endet, wird der der jüngere, Donald, selbstherrlich und schaffte es bis ins Weiße Haus. Mary L. Trump beschreibt, wie ihr Onkel sein Immobilienimperium mit Betrügereien aufbaute, Steuern hinterzog, ständig Gesetze übertrat und Geschäftspartner übers Ohr haute, Gerichtsverfahren mit geheimen Zahlungsdeals abwendete und stets mit nicht wirklich vorhandenen wirtschaftlichen Erfolgen prahlte.
Und so hielt er es auch während seiner Präsidentschaft von 2017 bis 2021. Feinde zu haben, war die Essenz seiner Präsidentschaft. Trump kann nicht argumentieren, er kann nur verleugnen, beschimpfen und verunglimpfen. Sich aus einer der mächtigsten Positionen der Welt als Opfer darzustellen, muss man erst einmal hinbekommen. Trump hat das perfektioniert. Dafür lieben ihn seine Fans, wähnen sich vereint mit ihrem Präsidenten in einem Kulturkampf gegen mächtige Strippenzieher. An diesem Kulturkampf beteiligen sich nicht nur ultrarechte Gruppierungen (Prowed Boys, Alt-Right-Aktivisten, konservative Think Tanks) sondern auch Evangelikale und (leider) auch die katholische Kirche der USA.
Bei all den Details, die Mary L. Trump in ihrem Buch ausbreitet, bei allen intimen Einblicke in das Werden Donalds bleibt doch ein schaler Nachgeschmack nach der Lektüre dieses Buches: es geht ihr auch um die Rehabilitation ihres Vaters Freddys, dem niemand in seiner Familie beistand, als er elendig an seinem Alkoholismus zugrunde ging.
Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby
Im Wahn
Die amerikanische Katastrophe
384 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen
C. H. Beck Verlag, Preis: 22,95 €
Mary L. Trump
Zu viel und nie genug
Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf
288 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag
Heyne Verlag, Preis: 22,00 €