Wolfgang Schorlau hat ein festes Stammpublikum und das ist am 4. März 2020 in den großen Saal des Hospitalhofs geströmt und hat diesen bis zum letzten Platz gefüllt. An diesem Abend ist er nicht allein mit einem neuen Roman gekommen: Der freie Hund. An seiner Seite der Italiener Claudio Caiolo. Mit dem Schauspieler Claudio verbindet Wolfgang Schorlau eine 25jährige Freundschaft. Seit vielen Jahren wollten sie ein Projekt zusammen machen. Nun liegt das Ergebnis vor: Ein Kriminalroman, in Venedig angesiedelt.
Wolfgang Schorlau ist sehr gut vernetzt
Bevor es so richtig mit dem von der ausgewiesenen Italienkennerin Maike Albath moderierten Gespräch los geht, begrüßt Wolfgang Schorlau seine große „Künstlerfamilie“. In dieser Patchworkfamilie tummeln sich mittlerweile eine ganze Reihe illustrer Mitglieder. Seine Lebensgefährtin, die Staatssekretärin und ehemalige Direktorin der Kunstakademie, Petra Olschowski, wurde schon von der Leiterin des Literaturhauses, Stefanie Stegmann, zu Beginn begrüßt. Seine Verlegerin von Kiepenheuer & Witsch, Claudia Häußermann, ebenso wie sein Lektor, Nikolaus Wolters sind zur Buchvorstellung angereist. Auch die Organisatorin seiner Lesereise, Susanne Beck, ließ es sich nicht nehmen, zur Premiere von Köln nach Stuttgart zu kommen. Es ist offensichtlich, dass Wolfgang Schorlau sich als Teil eines Literatur-Produktions-Teams sieht, bei dem er im Mittelpunkt steht.
Venedig wird literarisch von dem Autorenduo angegangen
Vielen gilt Venedig ja als schönste Stadt der Welt. Wolfgang Schorlau erzählt von einer Reise mit seinem Sohn dorthin, wie er all die Sehenswürdigkeiten besucht hatte und dann doch hinter die Fassade schauen wollte. Und so beschreibt er in seinem neuen Roman keine Idylle. Sein Kommissar Morello stammt aus Sizilien (auch Claudio Caiolo stammt aus Sizilien), der nach Venedig versetzt wird, um hier für Recht und Ordnung zu sorgen. In Venedig verfolgt er als erstes einen Taschendieb – wie wir aus der Lesung des ersten Kapitels erfahren – und landet prompt in einem Canale, der natürlich trübe ist. Aber der als „schleimige Brühe“ beschriebene Canale di San Pietro ist alles andere als trübe. In Wirklichkeit kann man bei ihm teilweise sogar bis auf den Grund schauen. Auch kann auch weder am frühen Morgen noch zu irgendeiner anderen Zeit ein Kreuzfahrtschiff seinen Schatten auf den Canal Grande werfen, der im Buch auch mal Canale Grande heißt. Hier prallt die „literarische Freiheit“ auf die Wirklichkeit. Gegen diese Kreuzfahrtinvasion regt sich Widerstand und ein Aktivist wird prompt ermordet.
Eine Zusammenarbeit zweier ganz unterschiedlicher Charaktere
Wie die Zusammenarbeit der beiden Freunde konkret ausgesehen hat, beschreiben die beiden ausführlich an diesem Abend. Maike Albath hat alle Mühe den quirligen Claudio Caiolo zu bremsen, der sie ungehemmt duzt, wiewohl sie – ganz professionell – konsequent beim Sie bleibt. Weil Claudio Caiole Erfahrungen beim Drehbuchschreiben mitbrachte (für seinen Kinospielfilm Birthday erhielt er 2002 den Max Ophüls Preis für das Drehbuch), oblag es ihm, eher dialogisch zu arbeiten. Völlig hemmungslos hat Schorlau seine Texte zusammen gestrichen, damit die Geschichte an Fahrt gewinnt. Das führte zu machen heftigen Diskussionen zwischen den beiden. Meike Albath meint zu dieser Auseinandersetzung, er müsse als Drehbuchautor das eigentlich verstehen, denn es gäbe den Satz unter den Drehbuchautoren: „Kill your baby“. Dem Zuhörer wird an diesem „Disput“ klar, dass die beiden Autoren auf dem Podium als eingespieltes Duo agieren.
Wer hat hier wo und wie recherchiert?
Die Auseinandersetzung mit der Autorin und Mafia-Expertin Petra Reski katapultierte sie aus ihren eingespielten Rolle. Meike Albath klammert in der Diskussion dieses heikle Thema nicht aus: Petra Reski wohnt seit vielen Jahren in Venedig. Wolfgang Schorlau und Claudio Caiolo trafen sie in Venedig bei einem Arbeitsessen. Sie wollten Hintergründe für die Story recherchieren. Die Vorwürfe der Journalistin kann man auf ihrem Blog hier und hier im Detail nachlesen. Darin wirft Reski dem Duo vor, sie hätten ihre eigene Arbeit geplündert. Und das so fehlerhaft, dass sie ihren Namen keineswegs mit dem Ergebnis, selbst nur als Danksagung, in Verbindung gebracht haben möchte. Diese Vorwürfe führten schließlich zu einer Unterlassungsklage, die sie gegen den Verlag anstrengte. Die zielte darauf ab, dass die Danksagung der beiden an sie bei der 2. Auflage gestrichen wird.
Wolfgang Schorlau reagiert schmallippig auf die Plagiatsvorwürfe
Was der Autor Wolfgang Schorlau an diesem Abend sichtlich zerknirscht dazu meint, hatte er in einem Interview auch schon den Stuttgarter Nachrichten gesagt: „Die einstweilige Verfügung ist für mich ein Rätsel. Wir hatten ein wahnsinnig nettes Gespräch in Venedig. Claudio und ich sind große Bewunderer von Petra Reskis Arbeit und haben deshalb eine Figur („Petra Mareschi“) nach ihr benannt. Das war als Hommage und Verbeugung gedacht.“
Schorlau hatte Reski das Manuskript im August 2019 geschickt und zunächst nichts gehört. Dann sei ein Anwaltsschreiben gekommen: „Wir haben die Danksagung entfernt und die Figur der investigative Jounalistin umbenannt. So wie unser Umgang war, hätte dafür ein Anruf auch genügt.“ In Folgeauflagen wird der Namen der investigativen Jounalistin verändert. Nicht aus juristischen Gründen, sondern weil die Autoren der Überzeugung sind, dass eine Hommage wider Willen keinen Sinn macht.
Diese Vorwürfe treffen einen Autor, der sich als ein gewissenhafter Rechercheur einen Namen gemacht hat, natürlich schwer. Das Publikum im Saal ficht das nicht an, wie an der langen Schlange derer zu sehen ist, die sich das Buch von dem Autorenduo signieren lassen wollen.
Der freie Hund: Commissario Morello ermittelt in Venedig
336 Seiten, Paperback
Kiepenheuer & Witsch, Preis: 16 €
zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens.