Wo anders sollte ein Preis für den schriftstellerischen Nachwuchs in Baden-Württemberg übergeben werden, wenn nicht in einem „Tempel der Literatur“? So fand die Ehrung der Preisträgerin Katrin Zipse im Café LesBar der Stadtbibliothek Stuttgart vor großem Publikum statt. Es musste kurzfristig aufgestuhlt werden, so groß war der Andrang am 25. November.
Das freute die Vorsitzende des Vereins „Förderkreis deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg e. V“, Ingrid Bussmann und die Freude konnte man ihr deutlich ansehen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Preisverleihung (immerhin wird der Preis seit 1981 verliehen) wird eine Jugendbuchautorin für ihren Jugendroman geehrt.
Katrin Zipse wurde in 1964 Stuttgart geboren, wuchs in Bad Dürrheim auf, studierte in Berlin Theaterwissenschaft und Germanistik und arbeitete mehrere Jahre lang als Dramaturgin. Seit 1993 arbeitet sie als Redakteurin bei SWR2, schreibt Hörspiele und Radio-Features. Ihren ersten Roman „Glücksdrachenzeit“ schrieb sie in ihrer Freizeit und konnte ihn beim Magellan Verlag veröffentlichen. Dieser noch junge Verlag ist ganz auf Kinder- und Jugendliteratur ausgerichtet.
Die Autorin las an diesem Abend einige Passagen aus ihrem Roman, von dem die Jury sagt: „Eine Geschichte, die zugleich witzig und berührend, auf unkonventionelle Weise verschiedene Generationen miteinander in Berührung bringt“. Zu Beginn erläuterte sie den Zuhörern die Verwendung und die Bedeutung unterschiedlicher Schrifttypen, die die verschiedenen Ebenen der Geschichte optisch trennt und in der Lesung natürlich nicht erkennbar sind.
Katrin Zipse führte die Zuhörer in die Geschichte von Nellie und ihrem Bruder Kolja ein, die als unzertrennlich gelten. Der ältere Bruder gerät immer weiter auf die schiefe Bahn, greift zu Drogen und verlässt schließlich das Elternhaus, trampt nach Südfrankreich. Nelle folgt ihm, will ihn finden und wieder auf die „richtige Spur bringen“. Dabei erlebt sie, begleitet von ihrem Hund Jackson, so manches Abenteuer und lüftet bisher ungeahnte Familiengeheimnisse.
Und da es ein Roman für Jugendliche ist und er sich in weiten Teilen der Jugendsprache bedient, hatten die Veranstalter die Idee, zwei jugendliche Leserinnen auf die Bühne zu bitten und ihre Eindrücke zu diesem Buch zu schildern. Beide lobten die frische Sprache des Romans, die so gar nichts mit den Pflichtlektüren ihres Schulalltags zu tun hat.
Stefanie Groß, Redaktionsleiterin beim SWR und Kollegin von Frau Zipse, lobte in ihrer Laudatio den einfühlsamen und humorvollen Erzählton, den der Roman anschlägt. Die 15jährige Nelli dieser Coming of Age Geschichte verbindet eine tiefe Geschwisterliebe zu ihrem drei Jahre älteren Bruder Kolja. Der, nachdem er in Rauschgiftgeschäfte verstrickt war, einfach abhaut, Richtung Süden, weit weg von allen Problemen, die in der Familie begründet sind. Die Eltern erstarrten nach dem Tod des jüngsten Kindes und Kolja war für Nellie existenziell wichtig, als ihre Eltern in Depressionen verfielen. Diese Familientragödie bietet die Leinwand, auf der sich der Roman entfaltet, der eine Ansprache der Ich-Erzählerin Nelli an ihren verstorbenen Bruder ist.
Carmen Kotarski vom Schriftstellerhaus erhellte in ihrer Rede, die Diskussionsstränge und Kriterien, nach denen die Jury die Preisentscheidung gefällt hatte. Die Vielschichtigkeit dieses Romans, in einer für Jugendlichen verständlichen Sprache, war für die Jury ausschlaggebend, den mit 10.000 € dotierten Thaddäus Troll Preis an Katrin Zipse zu geben.
Musikalisch untermalten die Preisverleihung Jenny Thiele und Laura Rajtschan mit ihren klassischen Gitarren.
Glücksdrachenzeit
270 Seiten, gebunden
Magellan Verlag, 16,95 €
zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens