Staffellauf ist der neueste Roman des sehr umtriebigen tübinger Autors Joachim Zelter. Leser dieses Blogs kennen ihn von diversen Berichten über Veranstaltungen mit ihm.
Staffellauf, dieser sportive Titel führt den Leser erst einmal in die Irre, denn der Roman ist kein schneller Sprint sondern anfänglich eher zäh. Auch die Leichtigkeit und der Humor, für den der Autor bekannt ist, vermisst der Leser, wenn er der Entwicklung der Familie Staffelstein folgt. Es ist die Geschichte von Künstlern, die hier auf 182 Seiten erzählt wird, die tragisch endet, wenn der „normale“ Bürger in sie einbricht, wie es die Mutter von Jakob Staffelstein erleidet. Aber auch ihr Sohn Jakob erleidet Schicksalsschläge durch die „Normalität“.
Bernadette, eine erfolgreiche Malerin, wird durch die Hartnäckigkeit ihres zukünftigen Ehemannes aus der künstlerischen Umlaufbahn katapultiert, hinein in ein langweiliges, bürgerliches Leben, dem sie nur durch Flucht in eine schwere Depression entkommen kann, einhergehend mit Tablettenmissbrauch.
Bernadette verliert ihre Unabhängigkeit und erhält eine Ehe-Versorgung
Ihr persönliches Unglück beginnt mit Karl Staffelstein, der eines Tages wie aus dem Nichts in ihrem Atelier auftaucht. Er, der Urururengel eines Studienfreundes von Schiller, ist stolz auf diese „künstlerische“ Randnote in der Familienchronik. Er kommt, um ihr einen Heiratsantrag zu machen, trägt eine Zeitung unterm Arm, deren Schlagzeilen um den Mauerbau kreist und darauf hinweisen, in welcher Zeit dieser Roman angesiedelt ist. Es ist die bleierne Zeit der 60er Jahre, in denen die Frau hinter dem Herd war und sich um die Familie kümmert. Künstlerinnen waren zu der Zeit fremde Wesen, die es zu domestizieren galt. Diese Aufgabe übernimmt die zukünftige Schwiegermutter. All das ahnt Bernadette nach der ersten Begegnung mit der Familie von Karl. Und doch gibt sie schließlich seinem Werben nach und heiratet ihn. So ist sie versorgt, allerdings erstickt das bürgerliche Leben auch ihre Kreativität mehr und mehr.
Der Weg zum Schriftsteller ist steinig
Ihr Sohn Jakob – der schon vor der Einschulung lesen konnte – ist ein Versager in der Schule. Langsam findet er aus seiner Erstarrung heraus und holt das Abitur nach, schließt sogar ein Studium erfolgreich ab. Aber dann schlägt er alle Erwartungen an eine akademische Karriere vom väterlichen Teil der Familie den Wind und wird unter äußerst schmerzhaftem, emotionalen Aufwand Schriftsteller. Seine Mutter war vor ihrer Heirat eine erfolgreiche Künstlerin, ihr Sohn Jakob wurde erst nie ein erfolgreicher Schriftsteller. Anfänglich war er der Rekordhalter der Nicht-Veröffentlichung. Ablehnungsschreiben von Verlagen, an die er seine Manuskripte schickte, heftete er fein säuberlich in sieben dicken Leitzordnern ab. Doch dann traf er auf einen bulgarischen Verleger, der Bücher in deutscher Sprache verlegt und der bereit ist, seinen Erstling herauszubringen.
Im Teil II setzt sich Zelters feiner Humor verstärkt durch
War der erste Teil des Buches, der über die Malerin Bernadette und ihr Weg in die Krankheit noch schwer, scheint im zweiten Teil, in dem es um Jakob geht, die feine Ironie und zugleich der epische Ernst des Autors Joachim Zelters auf, die wir aus so vielen seiner Romane kennen.
Wer Bücher des Autors gelesen hat und mit seiner Biografie vertraut ist, dem fallen unschwer Parallelen zu Zelter in diesem Roman auf. In Staffellauf tritt wohl am deutlichsten hervor, dass es in den Werken von Zelter auch immer um Zelter selber geht. In seinen vorherigen Romanen hatte er Lebensereignisse eher mit den Mitteln der Phantasie bearbeitet, hat sie ins Phantastische, Absurde gewendet, hat gefälscht und verdreht, wie er selber in einem Interview zugibt. Staffellauf ist auch ein Lauf in sein eigenes Inneres, der Versuch, sehr direkt und ungeschminkt Schmerzhaftes zu erzählen. Damit ist Joachim Zelter ein großes Risiko eingegangen.
Ein guter Verleger glaubt an seinen Autor
Am Ende des Romans wird man den Autor Zelter besser verstehen und man wird ihn dafür lieben. Das Buch ist aber auch eine Hommage an alle Verleger, die ihrem Autor treu bleiben, selbst wenn der große Erfolg ausbleibt. Bei Zelter wird das Buch eine Liebeserklärung an seinen Verleger Hubert Klöpfer, der seit Jahrzehnten an diesen oft verkannten Autor glaubt und ihn immer wieder veröffentlicht. Nun in der Edition Klöpfer, die ihre Heimat beim Kröner Verlag gefunden hat.
Staffellauf
182 Seiten, Hardcover mit Fadenbindung, Lesebändchen
Edition Klöpfer im Kröner-Verlag, Preis: 22 €
zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens