Elsternest

Wie Krieg prägt

Krieg prägt: Podiumsdiskussion und Lesung
v. l. n. r.: Peter Grohmann, August Schmölzer, Michael Seehoff

 

Wie Krieg den Menschen prägt, war Thema einer Doppellesung am 19. Januar 2015 in der LesBar der Stadtbibliothek Stuttgart. Der Schauspieler und Autor August Schmölzer las aus seinem Roman „Der Totengräber im Buchsbaum“, Peter Grohmann, Kabarettist und Anstifter, aus seiner Autobiografie „Alles Lüge außer ich“. Trotz der literarisch unterschiedlichen Form, zeigten beide Texte, was Krieg mit den Menschen macht.

Der Totengräber im Buchsbaum

Krieg prägt: Lesung August SchmölzerAugust Schmölzers Protagonist Josef kehrt nach vielen Jahren der Abwesenheit als alter Mann in seine Heimatstadt zurück, die er als junger Kriegsfotograf verlassen hatte. In diesem namenlosen Krieg zwischen der Stadt am Meer und Josefs Heimatstadt in den Bergen hatte er die Gräueltaten seiner Armee zu dokumentieren. Ein kleiner Junge, dessen Erschießung Josef mit der Kamera festhalten musste, verfolgt ihn in seinen Wachträumen. Mit ihm hält er immer wieder Zwiesprache.

Wie junge Männer auch mittels sexueller Prägung auf den Krieg vorbereitet und ausgerichtet werden, ließ August Schmölzer in der von ihm gelesenen Passage plastisch werden. Alte, nicht mehr kriegstaugliche Männer führen Josef eine Prostituierte zu, bei der er die ersten Erfahrung der körperlichen Liebe machen soll. Sie wollen ihm damit ein „Ertüchtigungsgeschenk“ machen. Josef wünscht sich hingegen Liebe von seinem Mädchen Ragusa. Es sind immer wieder diese, für den einzelnen gravierenden Erfahrungen, die im Text von Schmölzer durchschimmern.

Das Thema Fremdenfeindlichkeit kam in der zweiten Textpassage zum Ausdruck: Die Ablehnung zugewanderter Menschen war Auslöser für den Krieg zwischen der Stadt am Meer und der Stadt in den Bergen. Der Krieg zwischen den beiden Städten wird vom Autor nicht historisch verortet. Die Auswirkungen auf den einzelnen werden beschrieben, nicht die Schlachten in diesem Krieg. Am Stammtisch schwadronieren die Alten über die heilsame Wirkung eines Krieges, die mit der Erleichterung bei Blähungen nach einem üppigen Mahl verglichen wird. Warum der Krieg vor Jahren ausgebrochen war, haben die Männer längst vergessen, vertreten völlig konträre Meinungen dazu. Das diffuse Gefühl der neuerlichen Überfremdung reicht ihnen, martialische Reden zu schwingen.

Alles Lüge außer ich

Peter Grohmann bei der Lesung über: Krieg prägtPeter Grohmann beschreibt in seiner Autobiografie, unter welchem Krieg er und seine Familie gelitten haben. Er las eine eindrucksvolle Passage über die Wirren von Flucht und Vertreibung im zweiten Weltkrieg. Als Achtjähriger floh er mit seiner Mutter und seinem Bruder vor den herannahenden Russen aus Breslau, die Stadt seiner Großeltern. Erst kurz vorher waren sie dort angekommen. Ebenfalls als Flüchtlinge, geflohen vor den Bomben der Alliierten auf Dresden. Sein Teddy ist Synonym der Zerstörung: Das geliebte Stofftier des Jungen verliert erst den einen, dann den anderen Arm.

Hier trafen sich die beiden Texte wieder: der kleine Junge, der bei seiner Exekution von dem Kriegsfotografen Josef fotografiert wurde und die Erlebnisse des kleinen Jungen, der den Krieg überlebt hat, in dem sein Teddy verstümmelt wurde.

Wie aber lässt sich Krieg, Fremdenfeindlichkeit verhindern? Dieser Frage gingen die beiden Autoren in ihrem Gedankenaustausch nach. Peter Grohmann hat sich Zeit seines Lebens der Aufklärung verschrieben, als Jugendlicher in der sozialistischen Jugend „Die Falken“, als politischer Kabarettist und als Gründer und unermüdlicher Motor des Bürgerprojektes „Die Anstifter“. August Schmölzer unterstrich, wie wichtig es ist, den Fremden in den Blick zu nehmen und ihm vorurteilsfrei zu begegnen und, wenn nötig, seine eigenen Vorbehalte kritisch zu hinterfragen. Der Autor und Schauspieler versucht Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung zu helfen und gründete mit Freunden die Initiative „Gustl58 – Initiative zur Herzensbildung“. Sie unterstützen Menschen, die es körperlich, geistig, gesellschaftlich oder auch finanziell nicht so gut getroffen haben. Auf seiner Homepage schreibt er: „Ich bin nicht so naiv zu glauben, ich könnte die Welt ändern aber ich kann versuchen, MICH zu ändern und so vielleicht Vorbild für andere sein“

Zwei Autoren, die sich einmischen, sind August Schmölzer und Peter Grohmann auf jeden Fall: im Leben und mit ihren Texten.

Der Totengräber im Buchsbaum
150 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Merlin Verlag, Preis 19,95 €

Alles Lüge außer ich – Eine politische Biografie
320 Seiten, gebunden
Silberburg Verlag, Preis 24,90 €

zu erwerben in jeder Buchhandlung Ihres Vertrauens

Alle Fotos: Hannah Seehoff
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