Elsternest

AG Wortreich – Eine Literaturgruppe stellt ihre Arbeiten vor

Wortreich Text AG im Schriftstellerhaus
Ein Strauß von Autorinnen und Autoren in der Stadtteilbibliothek Bad Cannstatt

Die Stadtteilbibliothek Bad Cannstatt ist für ihre exquisiten Veranstaltungen zur Literatur, Lyrik und Musik bekannt. So ist es nur konsequent, dass die Gruppe AG Wortreich diesen Ort für ihre Lesung am 18. April 2024 ausgesucht hat. Die Literaturgruppe AG Wortreich trifft sich regelmäßig im Schriftstellerhaus.

Dort stellen die Mitglieder ihre Texte in einem geschützten Raum vor und arbeiten die Textkritik in überarbeitete Fassungen in ihre Texte ein. Alle Gruppenmitglieder sind im Verein Schriftstellerhaus Stuttgart e.V. engagiert, dem beliebten Treffpunkt für Autorinnen und Autoren aus Stuttgart und der Region. Das Schriftstellerhaus ist bekannt für Lesungen sowie für diverse Schreibwerkstätten, die dort tagen. Nun bietet die Stadtbibliothek in Bad Cannstatt deutlich mehr Platz für eine Lesung als das kleine Häusle in der Kanalstraße 4 und das war bei dem Andrang auch dringend empfohlen.

Hans Thill organisiert die AG Wortreich

Hans Thill, der Spiritus Rector der Gruppe, stellt die Gruppe vor und begrüßt den Leiter der Stadtteilbibliothek, Michael Reisser. Dieser füllt mit seinem Team nicht nur gekonnt die Rolle des Gastgebers an diesem Abend aus, sondern spielt auch auf seiner elektrisch verstärkten Akustikgitarre musikalische Reflektionen zu den gehörten Texten. Damit leitet er vom aktuell Lesenden jeweils zum nächsten Lesenden über.

Peter Schmidt ist langjähriges Mitglied der Schreibgruppe im Schriftstellerhaus. Er liest einen im Showbusiness angesiedelten, wunderbar ironisch-hintersinnigen Text. Protagonistin in der Kurzgeschichte Special Guest ist die Maskenbildnerin Monika, die einen verlotterten Talkshowgast „in Form“ bringen muss. Die Beschreibung dieses Gastes erscheint zu Beginn des Textes ungewöhnlich, der Gast rätselhaft. Auch Monika fragt sich, wieso er in die Talkshow Lukas Manz eingeladen wurde. Den Namen des Gastes erfährt der Zuhörer durch diesen humorvollen, pointierten Text nicht. Allerdings ahnt am Schluss jeder, dass es sich um eine wirkmächtige Persönlichkeit handelt, die schon zu Beginn der Menschheit eine entscheidende Rolle gespielt hat.

Schwimmen im Sand

Alexandra Alius liest aus ihrem Roman Schwimmen im Sand den Prolog und einen kurzen Textauszug. Aus dem Prolog, der im Jahr 2018 beginnt und in einem Gefängnis spielt, springt die Autorin in die Zeit von 2001. Die Icherzählerin ist mit ihrem Mann, einem Flugkapitän, der Langstrecke fliegt, im Urlaub in der Karibik. Die unbeschwerten Tage auf einer Jacht werden überschattet von dem Kinderwunsch der Icherzählerin, der offensichtlich nicht in Erfüllung geht. Das Paar erfährt von der Möglichkeit, einen Jungen zu adoptieren.

Im letzten Abschnitt ihrer Lesung beschreibt Alexandra Alius eine Szene ein halbes Jahr später, die Adoption ist zustande gekommen, die kleine Familie vollständig. Da soll Ben einen Flug nach Vancouver antreten. Zeitgleich flimmern, wie in einer Endlosschleife, die Bilder vom Attentat islamischer Fanatiker auf die Twin Towers in New York über den Bildschirm. Hier endet leider die Lesung von Alexandra Alius.

Michael Reisser bei der Lesung der AG Wortreich
Musizieren unter großen Vorbildern

Die Zuhörer hätten gerne erfahren, wie es weiter geht mit dem Paar, ob der Vater aufgrund seines Flugplanes nach Vancouver in Gefahr gerät. Die gut geschriebenen, vorgelesenen Textpassagen, machen Appetit auf den Roman, der im Werden begriffen ist. Sie wurde  für das Manuskript 2023 vom Förderkreis der Schriftsteller in Baden-Württemberg (FdS) mit einem Stipendium ausgezeichnet. (Zeitgleich erhielten diese Förderung Joachim Zelter und Janina Hecht für ihre Romanmanuskripte)

Texte erhalten Aktualität

Hans Thill präsentiert den Zuhörerinnen und Zuhörern eine Fluchtgeschichte: Halte durch Bübi. Die Kurzgeschichte ist kurz nach dem zweiten Weltkrieg angesiedelt: eine Mutter flieht mit ihrem fünfjährigen Sohn aus der von den Russen eroberten Tschechoslowakei in die westlichen Besatzungszonen. Vertrieben wurden sie. Mutter und Sohn wollen dem Hass der tschechischen Bevölkerung entkommen, der ihnen aufgrund der Besatzung durch die Nazis entgegen schlägt. Nachbarn werden zu Gegnern. Die Geschichte ist aktuell, erleben wir doch seit vielen Jahren Menschen, die ein ähnliches Schicksal teilen, die vor Krieg, Verwüstung und Hunger fliehen. Auch ihnen möchte man zurufen: Halte durch Bübi.

Der Koalabär Alaok ist einem Kinderbuch entsprungen

Bettina, die vierte im Strauß der Lesenden hat einen Auszug aus einem Kinderbuch mitgebracht. Der Koalabär Alaok ist als Geheimagent auf dem Weg nach Deutschland. Auch hier möchte man mehr erfahren von dem ungewöhnlichen Agenten, als es die kurze Lesepassage verrät.

Wie Alexandra Alius arbeitet auch Sasan Seyfi in der Textwerkstatt an einem Roman: Muttererde. Darin erzählt er die Fahrt von Mutter und Sohn in die alte Heimat der Mutter. Sie ist in Liebstadt aufgewachsen, dieser im Übergangsgebiet von Osterzgebirge und Elbtalschiefergebirge gelegene Landstadt ganz im Osten Sachsens, etwa 15 km südwestlich von Pirna. Je näher die beiden ihrem Ziel kommen, umso mehr Sprüche fallen der alten Dame zu den einzelnen Ortschaften ein.
Sasan Seyfi arbeitet nicht nur mit sächsische Idioms, sondern auch mit lyrischen Beschreibungen der Fahrt von Mutter und Sohn in die Heimat der Mutter, die sie über viele Jahre nicht besucht hat aber immer noch auf innigste Weise verbunden ist.

Die Lesung hatte mehr als drei Sätze

Noch einmal setzt sich Hans Thill an den Lesetisch und trägt seinen eindrücklichen Text Nur drei Sätze vor, der in der Welt des Theaters spielt. Wer Hans Thill kennt, weiß, dass seine eigenen Erfahrungen in den Text eingeflossen ist. Er spielte jahrelang in verschiedenen Gruppen Theater.

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